Belagerung der Sodenburg im Bauernkrieg 1525
„Es lagen damals auch viele Bauernhaufen in Stifte Würtzburg, welche in die Orte Aub, Bildhausen, Aura, Frauenroda, Hausen und Heyden unter Schweinfurt vertheilet waren. Nachmals lagerten sie sich auch anders, bey dem Closter Theres, zu Zellingen, Carlstadt und vor dem Sodenberg.“
„So viele Schlösser im Stifte bisher die Bauern auch gezwungen hatten, so konnten sie doch den Frauenberg bei Würzburg und den Sodenberg, obgleich auch solcher heftig von ihnen belagert wurde, nicht bezwingen. Durch die tapfere Vertheidigung der darin befindlichen Adligen wurde daher auch dieses Schloß erhalten.“ Das sind zwei knappe Hinweise aus alten vergilbten Geschichtsbüchern, die uns die Geschehnisse rund um den Sodenberg vor 450 Jahren ins Gedächtnis zurückrufen. Es war Frankens leidvollstes Jahr. Was hat sich damals im Frühjahr 1525 ereignet? War es nur eine Rebellion, das Aufbegehren eines gedemütigten Standes, ein örtliches Strohfeuer oder eine echte Revolution? Landauf, landab ging das bit-terböse Wort: „Der Bauer ist an Ochsen statt, nur daß er keine Hörner hat!“ Die Bauern wollten nicht länger ausgebeutet und unterdrückt sein. Sie wollten sich nicht länger knechten lassen von einer unmenschlichen Obrigkeit, die sich die leeren Staatskassen von wehrlosen Bauern füllen ließ.
Schon 1513/14 entstehen die Bauernbünde, der „Bundschuh“, der „Arme Konrad“. Zehn Jahre später flackert ein Bauernaufstand im südlichen Schwarzwald. 1525 greifen Wirren über auf Oberschwaben, Allgäu und Bodenseegebiet. Am 26. März brennt Burg Schemmerberg in Schwaben, ein erstes Fanal. Es brennen weitere Burgen, und es brennen die Klöster. Noch im März springt der Brandfunke auf Franken über. Ein Sturm peitscht durch das Land zwischen Main und Neckar, Jagst und Kocher, zwischen Grabfeldgau und den Haßbergen und im Tal der fränkischen Saale. Hier tobte der Aufstand in seiner ganzen Stärke.
Das Saaletal stand damals politisch nicht unter einer Obrigkeit. Es war wie eine Drehscheibe: Im oberen Teil regierte der Würzburger Konrad III. von Thüngen (1519-1540). Zum Herzogtum Franken gehörte dieser Teil von Westheim bis Nüdlingen. Zentralpunkt war das Amt Trimberg. Der mittlere Teil unterstand dem Fürstabt von Fulda und bildete das Vuldische Amt Saaleck mit der Stadt Hammelburg. Zu diesem Amt gehörten das halbe Westheim, Diebach, die beiden Eschenbach; nördlich erstreckte es sich bis Wartmannsroth, Schwärzelbach, Heckmühle mit der Münschau im Schondratal, im Süden reichte es bis Hundsfeld. Die stärkste Festung im Amt war der Sodenberg mit seiner Trutzburg, zu seinen Füßen Morlesau mit Ochsenthal. Der untere Teil des Saaletales von Gräfendorf bis Gemünden war wieder würzburgisch. Die Schäden in diesem Bereich hielten sich in Grenzen.
Wie zwei Felsen im brandenden Meer standen im Frühjahr 1525 zwei Burgen da, die beide mit dem Namen Thüngen verknüpft waren: Der Sodenberg, Ganerbenburg der Thüngen, und die Feste Marienberg, Schloß des Fürstbischofs Konrad von Thüngen. Die Darstellung des Geschehens rund um den Sodenberg - Aufstand, Belagerung, Abzug, Niederlage - liest sich wie ein spannender Krimi:
13. April, Gründonnerstag: Bauern aus der Kissinger Gegend rotten sich zusammen und besetzen das Kloster Aura. Die Mönche werden verjagt. Schreiben der Aufständischen an die umliegenden Dörfer lassen viele Bauern aus der Umgebung herbeiströmen und den „Auraer Haufen“ zu einem gefürchteten Trupp anwachsen.
16. April, Ostersonntag: Unter der Bauernschaft des Amtes Trimberg gärt es. Amtmann Eustach von Thüngen mahnt die Untertanen von Euerdorf, Elfershausen, Machtilshausen und Langendorf, „daß sie tun sollen als fromme Leute und sich nicht bewegen lassen“. Sein Bemühen bleibt ohne Erfolg. Am gleichen Ostertag schreibt Fritz VI. von Thüngen auf dem Sodenberg in großer Sorge einem nahen Verwandten, seinem Vetter und „gesippen“ Götz von Berlichingen: „Füg dir auch zu wissen, daß die uffrur als gros ist umb mich allenthalben wie umb dich.“ Der umsichtige Thüngen weiß, daß nicht viel Zeit zu verlieren ist. Planmäßig und zielsicher trifft er die nötige Vorsichtsmaßnahmen, um sich der wachsenden Empörung zu erwehren .
19. April, Mittwoch in der Osterwoche: Der thüngische Amtmann auf der Trimburg läßt sein Schloß versorgen mit „Korn und Haber“ aus Euerdorf und mit Wein aus Homburg an der Wern. Zuverlässige Leute bewachen die Burg. Kurz vor dem Ansturm ruft der Fürstbi¬schof seinen Verwandten zur Unterstützung der Besatzung auf den Frauenberg; dort fühlte sich Eustach von Thüngen sicherer. Die Trimburg geht in Flammen auf.
20. April: Das Bauernlager in Aura trägt den Aufstand weiter; die beiden Frauenklöster Frauenroth und Hausen bei Kissingen werden von den Aufständischen besetzt. Nicht anders ergeht es dem Kloster Thulba. Die Klosterkleinodien wurden jedoch noch rechtzeitig nach Euerdorf in Sicherheit gebracht.
23. April: Leute im Amt Arnstein werden bedroht; sollten sie nicht nach Aura kommen, so würden die von Aura zu ihnen kommen, würden ihnen alles abnehmen, was sie haben, ja sie würden erstochen werden. Das war deutlich gesprochen. Der Zulauf der Bauern aus dem Amt Arnstein ist so groß, daß 50 Bauern zum Schutz ihrer Stadt wieder heimgeschickt werden.
27. April, Donnerstag nach dem Weißen Sonntag: Eine Schar Bewaffneter aus dem Thulbaer und Auraer Haufen erscheint vor den Toren von Hammelburg und bedroht die Bürger, „wenn sie sich nicht mit ihnen vereinigen, mit Sengen und Brennen, auch mit Verheerung der Weinberge“. Die Hammelburger fügen sich dem Druck.
7. Mai, Sonntag Jubilate: Euerdorf mit mittleren Saalegrund wird Sammelpunkt der Aufständischen. Die Bauernlager von Bildhausen, Frauenroth und Hausen bei Kissingen rotten sich zusammen. Zwischen dem 4. und dem 10. Mai fallen die Trimburg, die Bodenlaube und das Schloß in Aschbach. Sie werden geplündert und gehen in Flammen auf. Die Adeligen werden in Pflicht und Haft genommen.
10. Mai, Mittwoch nach Jubilate: Die Bildhäuser und Auraer Lager brechen nach Würzburg auf, um am Sturm auf die Marienburg teilzunehmen. Die von Aura kommen nur bis Euerdorf und entgehen damit dem schrecklichen Blutbad von Würzburg. Bis zum 24. Mai schlagen sie ihr Lager im Saaletal auf, um dann den Sodenberg zu stürmen.
17. Mai, Mittwoch nach Cantate: Hammelburger Bauern liegen vor dem Schloß Saaleck und zerstören die Burg . Dabei ereignet sich folgende Episode: Die Belagerer der Burg Saaleck erwischen einen Fuhrmann, der aus Hammelburg kommend seinen Weg in Richtung Sodenberg nimmt. Alle Zufahrtswege zur Sodenburg werden von den Bauern streng bewacht. Da gibt es kein Durchkommen. Und siehe da: Auf dem Karren des „Erwischten“ entdecken sie allerlei Schmuggelgut für die verhaßten „Sodenberger Bauernfeinde“, Schwefel, Pech, Eisen ... Der arme Tropf stammt aus dem Euerdorfer Lager - dieser Verräter und Überläufer! Als der Vorfall dort bekannt wurde, daß die Saaleckischen einen „Euerdorfer Bruder“ gefangen und mißhandelt hätten, da forderten sie Aufklärung des Sachverhalts. Die Saalecker antworten: „Da ihr als Brüder begehrt zu wissen, ob wir zu Saaleck eurer Brüder einem einen Karren gehemmt oder nicht, tun wir euch zu wissen, daß wir einen Karren gehemmt, welcher von Hammelburg ausgegangen und bezahlt von denen zu Sodenberg ... Das wollten wir euch auf eier Schreiben nicht verhehlen, sondern offenbar machen, wie es sich jetzt einem Bruder gegen den andern geziemt. Haben auch härtiglich gehandelt gegen den von Hammelburg, denn ist uns große Beschwer, unseren Feinden solches zuzusenden.“
Inzwischen wird die Sodenburg von den Thüngen zur Festung ausgebaut. Streifzüge in das weite Vorfeld bringen reichlich Beute an Lebensmitteln. Streifzüge, die Not-und Tod in die Dörfer des unteren Saalegaues bringen. Wer aufmuckt, wird eingeschüchtert, unter Druck gesetzt. Man droht mit Abbrennen der Gehöfte, ja ganzer Dörfer. Michelau bekommt es zu spüren. Weyersfeld droht das gleiche Schicksal. Die Gössenheimer schicken nach Karlstadt um Hilfe mit der Bitte, „einige Bürger zuzuschicken und mit ihnen zu ziehen, um den armen Leuten in Gräfendorf, Schönderfeld und Michelau zu helfen ... Dann zogen einige von Gemünden mit den Männern von Wernfeld und Adelsberg nach Wolfsmünster ...“ Da ereignete sich die Bluttat zu Gräfendorf am 22. Mai: Zwei Mann von den „edlen Rittersleut“ erstochen, zwei andere schwer verwundet. Noch heute erinnert ein Sühnekreuz in Gräfendorf an die Mordtat. Im Amt Saaleck sinnt man auf Rache. Schreiben gehen an die Bauern der Ämter Karlstadt, Gemünden, an die Bauernlager in Euersdorf und Kissingen; von Mellrichstadt, ja sogar von Würzburg erbitten die aufgebrachten- Bauern Unterstützung bei der Belagerung der Sodenburg. Jedes Schreiben wird mit einem Siegel versehen „in der Größe eines harten Thalers“. Die einzelnen Bauernhaufen ließen ihr eigenes Siegel „graben“. Das Sodenberger Bauernsiegel hatte die Form eines Schildes, der den Namen Jesus trug mit der Jahreszahl 1525.
Von drei Seiten kommen in diesen Tagen Hilferufe aus den Bauernlagern nach Aura. Mellrichstadt schickt einen Bittbrief: „Ihr wollet der Stadt Hammelburg, nachdem sie bei uns in brüderlicher Einigung verfügen, daß sie uns zur Stunde den vierten Mann mit zwei Schlangenbüchsen zuschicken. Daneben wolle die Mannschaft aus den Bergen (Rhön) so dem Sodenberg entlegen ist, auch uns eilends zufertigen, denn wir sind des Geschützes und der Mannschaft sehr bedürftig.“ ' In Mellrichstadt befürchtet man einen Angriff des „Wüterichs und Tyrannen“, des von den Bauern so verhaßten und gefürchteten Landgrafen von Hessen.
23. Mai, Dienstag vor Christi Himmelfahrt: Die Besatzung der Sodenburg ist beinahe komplett. Der ganze Adel der Umgebung hat sich hinter den starken Mauern eingefunden und ist bereit, sich bis zum letzten Mann zu verteidigen. Unter ihnen finden wir Kaspar von Thüngen auf dem Reußenberg, Hutten von Arnstein, Wolfs von Büchold, Hans Georg von Höllrich u. a. Es mögen an die 200 Mann gewesen sein , die den Ansturm der Aufständischen erwartet haben. Und sie brauchten nicht lange zu warten.
24. Mai, Mittwoch vor Christi Himmelfahrt: Unter Führung der Auraer, Frauenroder und Aschacher Hauptleute versammeln sich die vereinigten Saalebauern zum Sturm auf den Sodenberg. Würzburg hätte sie gerade jetzt dringend gebraucht. Aus der bedrängten Metro-pole erreicht sie die Mahnung: „Wollet für euch männlich und kecklich handeln und gegen eure und unsere Feinde nicht feiern, sondern frisch angreifen; im Namen des Allmächtigen. Er wird uns den Sieg verleihen. Handelt nur christlich und nicht tyrannischer Weise.“
Jetzt gilt es, den verhaßten Adelssitz da oben zu erstürmen und dem Boden gleichzumachen.
25. Mai, Christi Himmelfahrt: Die Bauern greifen an mit 1 400 Mann. Man muß sich diesen Haufen einmal bildhaft vorstellen: Mit Dreschflegeln, Sensen, Mistgabeln, Hacken, Knüppeln, Spießen und primitiven Schießeisen. Ihnen gegenüber in der durch steile Hänge geschützten Burg 200 Ritter mit Reisigen und Fußsoldaten. Der Beginn der Belagerung wird allen umliegenden Ämtern kundgetan: „Lieber Bruder! Wir tun euch zu wissen, daß wir den Sodenberg, nachdem uns viel Schaden daraus erwachsen ist, belegt haben; haben aber gering Volk davor. Derhalben sehr zu befürchten, daß sie nicht überfallen werden, dadurch wir alle an Leib und Gut schaden nehmen. Deshalb ist es unsere fleißige Bitte, daß ihr den Halbteil euer Mannschaft gen Hammelburg schicken sollt, damit wir unsere angefangene Sach mit der Hilfe Gottes vollenden und unseren Leib und unser Gut erretten mögen samt unseren Brüdern, die schon etliche von unseren Feinden samt etlichen Pferden erobert haben. Deshalb wollen wir aus brüderlicher Liebe uns ganz auf euch verlassen.“
26. Mai: Bei den Angreifern zeigen sich die ersten Erfolge. Aber wie soll dieses Adlernest da oben auf steilem Fels genommen werden? Reichlich spät kommt den Auraern die Einsicht, daß zum Kriegführen nicht bloß Mannschaften und Geschütze gehören. Sie waren wehrhaft und tapfer, all diese Haufen, aber militärisch plump geführt, von keiner Strategie koordiniert. So mußte zwangsläufig ihnen der Enderfolg versagt bleiben. Sie schreiben nach Neustadt, daß sie mit 1 400 Mann den Sodenberg belagern und bitten dringend, einen verständigen Mann in ihren Rat zu schicken. Nach Mellrichstadt geht am gleichen Tage ein Bote ab: „So ihr die von Aschach nicht heftig bedürft, wollet ihr uns dieselben wieder schicken mit ihrem ganzen Geschütz und Wägen; auch so ihr mehr Geschütz, besonders großes Geschütz zu wege bringen könnt, wollet uns dasselbe auch mitschicken; denn ohne Geschütz vermögen wir nichts auszurichten; am allermeisten ist Not an Geschützen, darum wollet uns damit nicht verlassen.“
Auch die Bildhäuser werden angepumpt: zwei- oder dreihundert Mann und etliches Hauptgeschütz wurden angefordert. Ohne Geschütz war da oben eben nichts auszurichten.
27. Mai: Die Belagerer fordern die Eingeschlossenen zur Übergabe auf. Im Weigerungsfälle solle niemand von der Besatzung geschont werden. Sie meinen es wirklich ernst: „Wir Hauptleute und verordnete Räte der Versammlung Aura, Frauenroth und Wald-Aschach entbieten euch allen, Edlen und Unedlen der Ganerbschaft des Schlosses Sodenberg: nachdem ihr in kurz vergangenen Tagen etliche aus unserer Brüderschaft, so zur Aufrichtung des Evangeliums und Gottes Wortes vorgenommen, zwischen dem Reußenberg und Sodenberg, unerwartet eurer Ehren, mit mordlicher Tat und Handlung jämmerlich entleibt (Gräfendorf!) und, wiewohl wir brüderlich Lieb aus göttlicher Vergebung zu tun schuldig, des wir dies Orts geneigt, derhalben wir verursacht (worden) unser Lager mit ganzer Macht vor euer Schloß, den Sodenberg, zu schlagen, und gegen euch als Verfolgern des Evangeliums strenglich zu handeln, hierauf euch brüderlich ermahnend und ernstlich wollen, wann wir uns obbemeldes Schloß übergeben und zu uns in unsere Versammlung und Brüderschaft, wie andere vom Adel getan, verpflichten wollet, sind wir erbötig, euch dermaßen anzunehmen. Wann aber dem keine Folge geschehen sollte, wollen wir uns für uns, unsere Bruderschaft und unsere Ver¬sammlung hierin verwahrt haben, sondern auch die euren weder Leibs noch Guts, es sei jung oder alt, Weib oder Mann, klein noch groß, gefriedet haben, sondern auch ingleichen, wie ihr gegen die unsern gehandelt strenglich und ernstlich vurnehmen ... und vollstrecken.“
28. Mai, Sonntag Exaudi: Wir kennen nicht die Antwort der Eingeschlossenen auf die etwas naiv abgefaßte Epistel — jedenfalls lassen sie sich nicht einschüchtern. Ihr Mut ist ungebrochen. Gefaßt sehen sie einer langen Belagerung entgegen. Die Hoffnung auf Hilfe von außen läßt sie durchhalten, und von einem großen Geschütz auf der anderen Seite ist weit und breit nichts zu bemerken.
29. Mai: Die auf der nahen Reußenburg ebenfalls Eingeschlossenen können sich mit 19 Mann zum Sodenberg durchschlagen. Von der verlassenen Reußenburg bleibt nicht mehr viel übrig. Die Bauern plündern die Thüngenburg und legen Feuer.
30. Mai, Dienstag nach Exaudi: Die Belagerer erhalten tatsächlich Verstärkung in Höhe von drei- bis vierhundert Mann, dazu etliche Hauptgeschütze. Abermals berennen sie die Burg. Sie kommen den Mauern so nahe, daß sie die Verteidiger auf dem Wall mit dem Handgeschütz erreichen können. Aber auch dieser Angriff wird abgewiesen. Doch dann kommt die Wende: Der Fuldauer Landesherr Johann von Henneberg fordert seine Untertanen aus den Ämtern Brückenau und Hammelburg auf, „bei Vermeidung unserer schweren Ungnad und Straf heimzukehren. Also nichts wie heim, sagen sich die schlauen „Bauern vom Morsaw“ und ziehen geschlossen ab. Sie waren gut beraten. Es hatte sich nämlich inzwischen herumgesprochen, wie es den Bauern in Fulda ergangen war: „Wir geben euch zu erkennen, wie daß unsere christlichen Brüder zu Fulda so erbärmlich sind niedergelegt worden von dem Wüterich und Tyrannen, dem Landgrafen. Eintausendsechshundertfünfzig sind in den Schloßgraben gerennet und geworfen worden und allda mit großem Hunger gezwungen worden, und zuletzt ihnen das Brot vorgeworfen worden gleich den unvernünftigen Tieren und auch mit höhnischen Worten sie geschmäht.“ Für die Niederwerfung hatten sämtliche Orte des Amtes Saaleck 18 000 Gulden beizusteuern, die der hessische Landgraf als Lohn beim Fürst einforderte.
1. Juni, Die Führer des Bauernhaufens sind durch den Abzug so vieler Leute arg in Verlegenheit. Sie bemühen sich um Ersatz. Aber woher nehmen? Die Bildhäuser lassen sie wissen, daß ihnen langsam der Proviant ausgehe, und sie beschließen ihr Bittschreiben mit dem Flehruf: „Wollet uns also nit verlassen, daß wir allzu jämmerlich, wie zu befürchten ist, um Leib und Gut kommen. So ihr uns aber Beistand tuen werdet, besonders mit gutem Geschütz, so verhoffen wir mit der Hilfe Gottes, das Schloß Sodenberg bald zu erobern ... Wo ihr aber das nit tätet, wir müssen mit Schand wieder abziehen.“ Auch von Würzburg fordern sie Verstärkung. Aber die haben selbst große Not, denn schon rücken die „Schwäbischen“ heran. Statt Hilfe kommt ihnen der Rat zu, die Belagerung des Sodenbergs aufzugeben und in Würzburg zu helfen: „Dieweil ihr dem Schloß Sodenberg nichts abbrechen könnt und uns die Not auf dem Hals liegt...“
2. Juni, Freitag vor Pfingsten: Eine Hiobsbotschaft erreicht die belagernden Bauern vor dem Sodenberg — bei Königshofen an der Tauber hat es ihre Brüder erwischt. 4 000 Bauern — alle tot! 300 konnten sich in die Wälder flüchten. Eine solche Botschaft nährt nicht gerade Mut und Hoffnung.
3. Juni, Samstag vor Pfingsten: Das Heer des Schwäbischen Bundes schlägt bei Ingolstadt im Gau die Aufständischen vernichtend. 5 000 Bauern bedecken hier das Schlachtfeld. Nur 60 Gefangene werden gemacht. Nun muß sich auch Würzburg auf Gnade und Ungnade ergeben.
4. Juni: Pfingsttag: Eine weitere Belagerung der Sodenburg erscheint sinnlos. Die Bauern können auf keine Hilfe mehr warten. Sie haben keine Chance mehr.
5. Juni, Pfingstmontag: In der Nacht zum Sonntag auf den zweiten Pfingsttag brechen sie die Belagerung ab und ziehen schleunigst von dannen. Ihre Ahnung wird bittere Wahrheit: „... müssen wir mit Schand wieder abziehen!“ Der ungeordnete Rückzug gleicht einer wilden Flucht ins Ungewisse. Der Krieg am Berg und im Tal der fränkischen Saale ist aus.
Wie das Unwetter kommt es jetzt über die flüchtenden Bauern. Die Besatzung bricht aus der befreiten Festung aus und rächt sich bitter. Sie fallen in die umliegenden Dörfer ein, plündern, brandschatzen, morden. Ortschaften gehen in Flammen auf. Arge Not herrscht. Nicht einmal genug Brot gibt es. Am 7. Juni schreiben die Bauern rings um den Sodenberg nach Euerdorf: „Schickt uns Brot!“ Zur Not kommt noch die Retribution in Höhe von 5 300 Gulden — als vorläufige Entschädigung gedacht. Dazu sofort 15 Fuder Wein, 190 Malter Weizen. Aber woher nehmen? Armes geschlagenes Volk! Zur Not kommt der Spott, und zur Sühne gesellt sich die Rache. Die war furchtbar! Am 8. Juni wurden auf dem Marktplatz zu Hammelburg unter den Augen einer gaffenden Menge neun Rädelsführer hingerichtet, darunter drei Mann aus Wartmannsroth, je zwei aus Obereschenbach, Untereschenbach und Hammelburg. Der Scharfrichter legte ihnen die Köpfe vor die Füße. Neun waren es auch in Arnstein, 22 in Münnerstadt, 65 in Würzburg. Überall sind die „fuernehmigsten ufwigler und ursacher dieser entporung mit dem swert gericht worden“ .
Nicht einmal die herkömmlichen Foltermethoden reichten zur „Befriedigung“, sprich Rache, aus. Immer neue Formen der Grausamkeit fanden Anwendung. In Kitzingen hat man 62 Männern die Augen ausgestochen. Man merkt dem Chronisten buchstäblich die Freude und Lust an, wenn er die Folterungen breit und ausführlich bis ins Detail schildert, wenn er, wie ein Kaufmann, die schrecklichen Taten tabellenartig aneinanderreiht, zusammenzählt und schließlich mit einer makabren Story seinen Gruselbericht abschließt: „Item am Sonntag Trinitatis schlug man einem Kriegsmann das Haupt uf dem marck ab, der war so gar voll Weins, das zugleich wein und blut zum stumpf ausfloss.“ Was hat im Endeffekt das mörderische Schlachten gebracht? Mit dem Brand der Burg Schemmerberg im Allgäu hat es begonnen. Es war der 26. März 1525. Mit der Kapitulation von Würzburg am 8. Juni 1525 war der Brand ausgetreten. Nur knappe zehn Wochen dauerte die Erhebung. Als Bauernaufstand begonnen, endet der Krieg als Fürstenkrieg mit dem Sieg der Fürsten und der Unterdrückung der Bauern. Zehn knappe Wochen nur, aber erfüllt von Blut und Tränen, von Mord und Brand. In Mainfranken sanken allein an die 200 Burgen und an die 50 Klöster in Schutt und Asche. Einige sind in einem Gedicht aus damaliger Zeit aufgezählt, und irrtümlicherweise wird auch der Sodenberg dabei genannt
Groß waren die materiellen Verluste; das Schlimmste aber war das Massenmorden. Und so sah die schreckliche Bilanz am Ende aus: Schlacht bei Königshofen 4 000 Tote; Schlacht bei Ingolstadt 5 000 Tote; Schloß zu Ingolstadt 356 Tote; Belagerung des Frauenbergs 416 Tote; 295 Hingerichtete; Das sind insgesamt 10 067 fränkische Bauern und Bürger. Insgesamt sollen 100 000 Bauern umgekommen sein.
Die später vom Landesherrn festgesetzte Gesamtentschädigung an die Thüngen betrug allein 23 008 Gulden „und mußten die Dörfer und Flecken im Amte Saleck als Morsau, Schwärzelbach, Wartmannsrod, Hetzeis, Reid, Pfaffenhausen, Kloster Thulba, Hunsfeld, Frankenbronn, der Müller in der Altstadtmühl, in der Heckmühl an der Schondra, dann Westheim zur Entrichtung der 18 000 Gulden — jeder Gulden zu 30 Schillinger — contribuiren“' .
Die hohe Belastung traf Schuldige wie Unschuldige gleich. „Ein jeder hauses, reich oder arm, frow oder man, für seine person“ hatte 8 1/2 Gulden in drei Raten zu bezahlen; dazu mußten sie „ohn alle Wegerung (Weigerung) weiterhin zusätzlich Steuern und „reisgelt“ zahlen, fronen und dienen. Kein Wunder, daß ,ein mercklich theuerung das Land überzog. Ernte konnte vielerorts keine eingebracht werden, die Felder waren zerstampft, Leichen von Bauern bedeckten sie. Der Tod hielt reiche Ernte im Bauernjahr 1525.
Damals entstand der Spruch: Geschlagen ziehn wir nachhaus; uns’re Enkel fechten’s besser aus!