Hammelburger Geschichte(n)

Am späten Nachmittag des 11. Juli kamen die Preußen, die einen Flankenmarsch gegen Schweinfurt gemacht hatten, wieder nach Hammelburg. Die Einquartierung wurde im Pfarrhause wenn möglich stärker als am Vorabende. Zwei Feldgeistliche, denen später ein Dritter folgte, waren daselbst die ersten Ankömmlinge. Auf stattlichem Rosse, die Genfer Binde am Arme, ritten sie am Haufe an. Jeder hatte seinen Küster und Bedienten, wie auch alle nöthigen Utensilien zur Verrichtung seines hl. Amtes. Später machten wir die erfreuliche Wahrnehmung, daß sie ihrem Stande gemäß respektirt wurden, im Allgemeinen, daß ihre Thätigkeit hoch geachtet wurde, und sie nicht das mindeste Hinderniß für selbe fanden. – Feldgeistliche, Offiziere, Fähndrich, Arzt, Feldwebel bildeten die Gesellschaft dieses Abends. Sie waren sämmtlich im Gefechte bei Kissingen, und wahrlich der Tag von Kissingen lag manchem der genannten Herren noch schwer auf dem Herzen. „Das Kriegshandwerk hat der Teufel erfunden !“ scheute sich nicht ein Offizier zu rufen, und wurde ihm von keiner Seite widersprochen. „In Kissingen sind unsere Offiziere wie die Fliegen gefallen !“ „ach der bildschöne bayerische Soldat, er soll in Trient (?) geboren gewesen sein, wie jammervoll war sein Anblick !“ ja der Tag von Kissingen hatte die Herren sehr deprimirt; doch kam die Gesellschaft auch in guten Fluß, als Hunger und Durst zu stillen, Gelegenheit geboten war. „Herr Pastor! haben Sie keine Butter im Hause?“ fragte ein Offizier. „Kein Ouentchen nah und fern. Bereits gestern hat die preußische Einquartierung allen Vorrath aufgezehrt!“ “Haben doch wohl Oekonomie- und Milchvieh im Stalle?“ „Die einzige Kuh ist bereits gestern auf dem Requisitionswege den Preußen überliefert worden“ *) - Es mußte sich auch ohne Butterbemchen thun.

Den Schluß der Soirée bildete etwa Nachts ein Uhr ein Curiosum. Schon um Mitternacht öffnete ein hiesiger Büttnermeister die Thüre des Wohnzimmers, in dem die Gesellschaft versammelt war, und legte in die Ecke ein Fäßchen - es war, wie wir später vernahmen, ein Fäßchen Branntwein; endlich erschien wieder ein Offizier der Gesellschaft, und sprach: „Herr Pastor! Sie haben uns bisher regalirt, nehmen Sie nun auch von mir 6 Flaschen guten Weines entgegen.“ Es war in der Nacht von Soldaten bei einem israelitischen Kaufmanne auf dem Markte Branntwein und Wein requirirt worden, und wurde hievon auch in das Pfarrhaus verbracht. Sie wollten, wie es schien, dem Pastor nicht zu hart zusetzen, haben aber dafür einen Mitbürger um so mehr geschröpft. Die erwähnten 6 Flaschen dienten uns, die Feldflaschen der Soldaten zu füllen, was der Offizier wieder gerne acceptirte.

Am Abend des 11. Juli war eine förmliche Belagerung des Pfarrhauses. Offiziere und Soldaten in fast allen Räumen, Strohlager in dem Wohnzimmer; nur vor einem größeren Zimmer schauerten sie zurück, in welchem arge Blutspuren der am Nachmittage aus dem Pfarrhause in das Bürgerspital u. s. f. verbrachten Verwundeten; auch die grünen Rasenmatten des Pfarr-Gärtchens waren für Manche ein bequemes Nachtlager. Viele campirten im Heu der Pfarrscheune, während Stall, Tenne, die Viertel der Scheune mit Militärpferden überfüllt waren. Des anderen Tages hatten wir besonderen Grund, Gott zu danken für glückliche Rettung. Ein Unschlittlicht, das ein Soldat auf einem Balken unter dem Scheuerdache in unmittelbarer Nähe des Heues aufgestellt hatte, war ganz herabgeflammt, und hatte selbst den Balken geschwärzt. Zum Glücke hat es leicht brennbares Material nicht ergriffen.

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