Der Brand zunächst des Seelenhauses
Das in der Reihenfolge dritte Feuer entstand durch eine Granate in Haus-Nro. 310 und ging auf 311 und 312 über. Das war der anfänglich in der Presse so viel und verschiedenartig besprochene Brand am Seelenhause (jetzt Seelhausgasse). Daß die Preußen auf die verwundeten Bayern, die dahin gebracht wurden, noch auf dem Wege zum Lazarethe, daß sie das Seelenhaus absichtlich in Brand geschossen hätten, ist entschieden in Abrede zu stellen. Das Seelenhaus, in östlicher Richtung der Stadt, ein wenig ansehnliches Gebäude, eine Wohnung armer Leute auf Dach und Fach, mit einigen Zimmern für kranke Dienstboten und Gesellen, in einem engen Gäßchen, wäre auch von den Preußen von den nahen Bergen herab als Spital nicht zu erkennen gewesen. Der Verfasser war an Ort und Stelle während der ganzen Affaire zugegen. Das Gefecht hatte 5/4 Stunde von der Stadt auf Untererthaler Markung, aber immer näher rückend bereits 1 Stunde begonnen, als wir in das Seelenhaus zu einem Kranken gerufen wurden. Wir gingen in der Meinung, etwa einem kranken Civilisten die hl. Sterbsakramente zu reichen. Es waren jedoch bereits schwer verwundete Bayern vom Gefechtsplatze hereingebracht worden. Alle sehnten sich nach den Tröstungen der hl. Religion, insbesondere auch nach dem Empfange der hl. Communion. Wir gingen deßhalb statt in die entfernter gelegene Pfarrkirche durch die Seelhausgasse, durch die Juden- und alte Postgasse in die näher gelegene Bürgerspitalkirche, heilige Hostien zu holen. Die Stadt schien ausgestorben, nur kleine Truppen-Abtheilungen in der Judengasse und in der Nähe des Bürgerspitals. Unser Begleiter auf diesem Gange bis zu den Stufen des Altars in der Spitalkirche und wieder zurück in das Seelenhaus war Schuhmachermeister Nikolaus Adlof. Er hatte uns kaum verlassen, um in sein nahes Haus einzutreten, als zu seinen Füßen eine Kartätsche niederfiel, was auch diesen sonst beherzten Mann mit seinen Angehörigen noch zur Flucht veranlaßte. Im Seelenhause warteten wir mit dem Feldgeistlichen der 6. Brigade Limbacher aus Ingolstadt, der hinzugekommen, unseres heiligen Amtes; der immerwährende Donner der Geschütze, das Knattern des Kleingewehrfeuers, der allgemeine Jammer konnte nicht hindern, daß alle Schwerverwundeten aus der Hand des Verfassers die heiligen Communion empfingen; wie auf dem Schlachtfelde Oberlieutenant Tauscheck durch Muth, zeichnete er sich hier durch Frömmigkeit bei dem Empfange der hl. Wegzehrung aus, nach der er sehnlichst begehrte. Während dessen schlug eine Zündgranate, ohne daß im Seelenhause es Jemand wahrgenommen, in das nur einige Schritte entfernte Nachbarhaus 310 des Franz Uebel. Qualm und Rauch, endlich helle Feuerflammen, die bereits das zweite und dritte Haus ergriffen; Rettungsmannschaft nicht nahe und fern, wer beschreibt die heftige Unruhe der armen-Verwundeten? Dem Tod auf dem Schlachtfelde zur Noth entronnen, droht ihnen jetzt der schrecklichere Flammen-Tod. Im Seelenhause waren zugegen der Verfasser, Magistratsrath Falk, Feldgeistlicher Franz Limbacher, Bataillons-Arzt Dr Weiß und drei barmherzige Schwestern. Es galt, die Verwundeten vor drohendster Gefahr zu retten und an einen sicheren Ort zu bringen. Dem Aufrufe des Verfassers gemäß folgten ihm 4 - 5 leichter Verwundete in das entlegene Pfarrhaus, etwa 6 - 7 schwerer Verwundete wurden von den erwähnten gerade im Seelenhause anwesenden Personen in den nahen Zwinger am oberen Thore gebracht und hinter der Stadtmauer geborgen, etwa 3 - 4 mußten hinaus getragen werden; Schwester Henrica trug den Oberlieutenant Tauscheck mit fast übermenschlicher Kraft, wie eine Mutter ihr Kind, auf den Armen hinaus in den Zwinger *), 2 - 3 saßen in Leintüchter gehüllt wie gespensterhaft im Seelenhausgarten in sich zusammengekauert, einige machten sich aus dem Hause ohne Weiteres davon. Angst und Schrecken ließen sie Verwundung und Schmerz vergessen. - Endlich erschien auch Löschmannschaft an dieser Feuerstätte. Doch wir geben dem Herrn die Ehre! Höherer Schutz hatte das alte morsche Haus erhalten. Das Seelenhaus, das einen so erschütternden Vorgang, so lange seine alten Mauern stehen, auch annähernd nicht erlebte, und so Gott will, auch nicht mehr erleben wird, nahm gegen Abend des 10. Juli alle Hinausgeschafften bis auf diejenigen im Pfarrhause wieder auf, ebenso noch einzelne verwundete Bayern, die wir in Haus-Nr. 45, 70, 73 auffanden, auch wurden noch verwundete Preußen aus Nr. 76, zunächst dem Gefechtsplatze, dahin verbracht, selbst am 12. und 13. Juli kamen noch schwer verunglückte Preußen dahin; endlich wahrhaft überfüllt, wurde es der Schanplatz hingebendster Liebesthätigkeit während eines vollen Vierteljahres.
*) Die Arbeiten der Schwestern Edmunda, Henrica und Pacifica waren an diesem Tage bis zur Erschöpfung aufreibend, in ihrer Anstrengung vergaßen sie sich selbst. Der genannte Magistrat, Kaufmann Falk, Zeuge ihrer Thätigkeit, sandte denselben fast mitten in der Nacht noch kräftige Suppe und Wein, was er auch später wiederholte. - Den genannten Schwestern wurde durch Kriegsministerial-Reseript vom 30. Septbr. 1866 Anerkennung und besonderer Dank des Kriegsministeriums ausgesprochen. Feldkaplan Limbacher und Bataillonsarzt Dr. Weiß erhielten das Ritterkreuz II. Klasse des Militärverdienstordens.