Feindliche Invasion in Hammelburg
Als die Preußen in Hammelburg einzogen, bot ihnen der verhältnißmäßig sehr große und schöne Marktplatz herrlichen freien Raum zur Aufstellung. Neugierige und schaulustige Bewohnem, wie bei den Durchzügen der vaterländischen Truppen, waren fast keine zu sehen, wohl aber fanden sich diejenigen sofort ein, deren Pflicht es zunächst war, auf ihrem Posten zu verharren. Bei Aufstellung der ersten Truppen begab sich der Verfasser dieses zu dem an der Spitze mit einreitenden kgl. preuß. Obristen von der Lund und erbot sich, den Kranken und Verwundeten seine seelsorgerlichen Dienste zu leisten. Das Anerbieten wurde gerne acceptirt; ein Offizier in der nächsten Nähe äußerte sich besonders freudig, da der größere Theil der Truppen Katholiken aus Rheinland und Westphalen seien. - Ebendemselben Obristen stellte der Bürgermeister Adam Rinecker die Lage der Stadt vor und erbat sich die Erlaubniß, Sturm läuten lassen zu dürfen, um die geflüchteten Bewohner und die NachbarGemeinden wegen des drohenden großen Brandunglücks zu Hilfe zu rufen. Der theilnehmende Oberst erklärte, die Truppen nicht eher einquartieren lassen zu wollen, bis der Brand gelöscht sei.
Der Bürgermeister begab sich hierauf auf das Rathhaus.
Plötzlich erschienen daselbst 10-12 Preußen mit aufgepflanzten Gewehren und eskortirten denselben auf den Marktplatz vor das Postgebäude zum preuß. Stadt-Commandanten von Hammelburg. Der Feind hatte die Diktatur der Stadt übernommen, und wurde dem Bürgermeister befohlen, binnen kurzer Frist immense Forderungen an Lebensmitteln bei Strafe des Erschießens zu befriedigen. Alle Vorstellungen halfen Nichts. Wie dieser vom Rathhause, so wurden auch manche Magistratsräthe unter preußischer Eskorte aus ihren Wohnungen herbeigeholt, um gleichfalls wohl oder übel die willfährigen Diener des preuß. Diktators zu sein. Der Bürgermeister mußte sich mit dem preuß. Offizier wieder auf das Rathhaus zurückbegeben und fand hier die auf dem Marktplatze begonnene Diktatur ihre traurige Fortsetzung. Derselbe verharrte von da auf seinem Posten auf dem Rathhause, obschon seine Wohnung in nächster Nähe der großen Brandstätte am s. g. rothen Rain war und seine Frau und Kinder vor dem Feinde sich geflüchtet hatten, ohne daß der Vater wußte, wohin. Stadtschreiber Martin Purucker stand demselben treu zur Seite.
Mittlerweile hatte sich der k. Bezirksamts-Verweser Konrad Müller zum kommandirenden General v. Beyer begeben, um Aufrechthaltung strenger Disciplin, möglichste Schonung der so hartbedrängten Stadt und gleichfalls um Mannschaft zum Löschen gebeten. Während der ganzen Gefechtswoche befand sich derselbe bald auf seinem Bureau, wo die bezirksamtliche Geschäftslast auf ihm ruhte, bald wieder auf dem Rathhause, um gemeinsam die zahllosen Ansprüche der Truppen nach Billigkeit befriedigen zu helfen, die Einquartierung, Bivouaks mitzubesorgen, für Beschaffung der im großen Maßstabe nöthigen Lebensmittel für Vorspann und Fourage die erforderlichen Maßregeln zn treffen. - Am meisten Sorge machten die auf eigene Faust vorgenommenen Requisitionen einzelner Heeresmitglieder. Auf deßhalb bei dem Commandanten eingezogene Erkundigungen wurde eröffnet, daß nur den Offizieren und höchstens den Feldwebeln solche Requisitionen zustehen. (Bezirksamts-Verweser Konrad Müller wurde für seine erfolgreiche Thätigkeit die Allerhöchste Anerkennung zu Theil durch Verleihung des St. Michaelsordess II. Classe.)