Hammelburger Geschichte(n)

Schrecken und Flucht der Bewohner

Als am 10. Juli Vormittags jenseits der Saale die bayer. Geschütze postirt waren, zeigte sich die drohendste Gefahr eines Gefechtes in allernächster Nähe. Die Operationen der bayer. Artillerie und die etwa auf der Fuldaer Straße anrückenden Preußen bedrohten die Stadt auf das Alleräußerste; zwischen zwei Feuer zu gerathen, war so gut wie sicher; wem wurde nicht herzlich bange? Vorsorglich waren ja auch schon am 9. Juli 13 Bauernwägen requirirt, um die Verwundeten fortzuschaffen. - Am Morgen des 10. Juli strebten schon manche arme Häckersleute, ihre kostbarste Habe, die einzige Kuh in den Fuchsstadter und Gauaschacher Wald, auch nach Seeshof in Sicherheit zu bringen. „O wie glücklich seid Ihr Seeshöfer“, wurden die Bewohner dieses abgelegenen Weilers begrüßt. Nachdem schon am Montag und in der Nacht auf Dienstag manche Bewohner davongeeilt waren, wurde die Flucht allgemeiner, als Dienstag den 10, Juli Vormittags l/4 11 Uhr die erste preuß. Kanone sich löste. Da war ein Berathen, ein Hin- und Herrennen, ein Händeringen und Wehklagen, ein Wagengerassel; selbst Hausthiere schienen an dem Jammer allen Antheil zu nehmen; ein ähnliches Heulen der Hunde und Brüllen des Viehes haben wir noch nicht gehört. Wer nicht so glücklich war, einen Wagen zu erhalten, machte sich zu Fuß davon, so schwer es Manchem auch fallen mochte. - Interessant waren die Gruppen der Flüchtenden. Vor Allem sehr viele Jünglinge und junge Männer, sie gaben zuerst Fersengeld, aus Furcht sofort unter die preußische Pickelhaube zu kommen; Familien mit ihren Kindern, ein Kind auf dem Arme, eines auf dem Rücken, eines im Handwägelchen; der nachlässige Anzug des Vaters und der Mutter zeigten nur zu deutlich: Vor Allem Sich und die Seinigen retten, Alles Andere ist jetzt gleichgiltig. - Eine bejahrte Frau schleppte ihren schwer kranken Mann einstweilen auf den Kirchhof, am 11. Juli in der Nacht ist er auch bereits verstorben; auf dem Kirchhofe sammelten sich manche schwache und gebrechliche Leute, denen weitere Flucht unmöglich war, sie dachten nicht, daß der Krieg so 'grausam ist, gerne die Kirchhöfe zu Angriffs- und Vertheidigungsplätzen zu wählen.

Mitten im Granatregen flüchteten drei Frauen mit ihren Kindern gegen die Kapelle Steinthal, darunter eine Frau mit ihrem siebenjährigen taubstummen Töchterchen. Bei jedem Donner und Blitz der Geschütze stürzte das arme Kind zusammen und suchte sich im Straßengraben zu verbergen. Die Mutter überfällt eine Ohnmacht und nur zur Noth kann sie sich endlich in die Kapelle schleppen. Da harren die drei Mütter mit ihren Kindern zwei Stunden lang der Erlösung; als sie nach Beendigung des Gefechtes aus der Kapelle traten, sahen sie Hammelburg in Flammem, nun flüchteten sie nach Gauaschach. - Eine Mutter hatte am 10. Juli Morgens 2 Uhr geboren; gegen 10 Uhr Vormittags wurde dem Kinde in Haus-Nr. 380 von uns die hl. Taufe gespendet. Unter Denjenigen, welche Nachmittags noch während des Gefechtes und Brandes aus der Stadt flüchteten, befand sich auch die eben erwähnte bedauernswerthe Wöchnerin, welche auf Anbringen und Zureden eines gerade vorüberfahrenden Nachbars sich auf dessen mit 2 Kühen bespannten Wagen verfügte und nach vierstündiger Fahrt in dem Dorfe Wülfershausen (bei Arnstein) glücklich ankam. Es war ein ergreifender Anblick, der Viele bis zu Thränen rührte, wie der schwer geprüfte Gatte mit seinem neugeborenen Söhnchen (Clemens) auf den Armen neben dem Wagen einherschreitend, die brennende Stadt verließ. Mutter und Kind haben die für sie, gegebenen Umständen nach, gefahrvolle Flucht, Gott Lob! glücklich überstanden, und werden die Eltern den Geburtstag ihres bis jetzt noch einzigen Kindes gewiß niemals vergessen. -

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