Hammelburger Geschichte(n)

Am dritten Tage kam zuerst ein Garde-Hauptmann aus Berlin in das Quartier. Der Mann trat ein mit dem freundlichen Ersuchen, ihn doch nicht als Feind aufzunehmen. „wir kämpfen gegen das Heer, nicht gegen friedliche Bewohner!“; ein echter Preuße, erzählte er, wie vandalisch die Bayern in Oerlenbach bei Kissingen gehaust hätten, wie hiegegen die Preußen civilisirt seien und solche Unthat verabscheuten und vermieden. Wir konnten ihm jedoch auch mit thatsächlichen Beweisen von Vandalismus prenßischer Soldaten in Hammelburg dienen, an welche er anfänglich durchaus nicht glauben wollte, bis sie ihm abermals bestätigt wurden. Es lag ihm ungemein viel an der Ehre des preußischen Namens; ein Bewohner der Niedergasse meldete im Pfarrhause, die bei ihm Einquartierten seien sehr anspruchsvoll und unzufrieden. Obschon fast ganz erschöpft begab er sich sofort in die Wohnung des Quartiergebers und stellte Ruhe und Ordnung her. Wir waren erstaunt, wie gerade jetzt die Erinnerungen an die ehemals brandenburgischen, nun bayerischen Gebietstheile Ansbach und Bayreuth in ihm so lebendig geworden waren. Er erzählte, wie er im Sommer 1866 das Bad Kissingen aus Gesundheitsrücksichten habe besuchen wollen. Kissingen war nun in Folge des deutschen Bruderkrieges pro 1866 ein Blutbad geworden. - Die Nachtruhe wurde im Pfarrhause auch für den genannten Offizier sehr gestört. Nicht blos, daß Offiziere vom Bivouak außerhalb der Stadt auf den Saalwiesen durch Selbsteinquartierung sehr beunruhigten; „wo ist Haus-Nr. 25 ?“ wurde in der Stadt eiligst recherchirt; es galt, dem Herrn Garde-Hauptmann sehr wichtige Botschaft zu bringen. Große Unruhe im Pfarrhause! „Heute ist eine höchst gefährliche Nacht“. meldete ein preußischer Soldat. Auch für uns Einheimische?“ Für Sie nicht im Mindesten, wohl aber für uns Preußen.“ Es war die falsche Nachricht plötzlich, und wie es scheint, absichtlich verbreitet worden, 50.000 Bayern und Oesterreicher im Anmarsche, und stehe die Vorhut bereits im Fuchsstadter Walde, was die Preußen ungemein erschreckte und zum schleunigen Aufbruche veraulaßte. – Vor seiner Entferung aus dem Pfarrhause sprach der Hauptmann zu uns: „Ich bitte Sie die Schlechtigkeiten einzelner unserer Soldaten doch der ganzen Armee nicht zur Last legen zu wollen, leider entmenschlicht und persidert der Krieg die Leute so sehr! ec.“

Der Freitag und Samstag ließ fester athmen, die unübersehbaren Reihen des Kriegsvolkel verschwanden mehr und mehr aus den Augen; es waren nur Nachzügler, deren manche recht schlimme Kameraden gewesen sind. Selbst Offiziere warnten vor diesen Leuten. Wir kamen am Freitag eben von einem Geschäftsgange nach Hause, als wir zwei Soldaten mit aufgepflanzten Gewehren in unserer Wohnung trafen. Die Frechen hatten sich zuvor Kommode und Schränke öffnen lassen, doch diesmal nichts Sachdienliches gefunden. Eine Photographie ließen sie nur darum zurück, weil nicht der „Pastor“ allein auf derselben, sondern auch zwei Freunde desselben; nur der Pfarrer der von den Preußen eingenommenen und so hart mitgenommenen Stadts schien für die Elenden Interesse zu haben. An demselben Tage erschienen noch fünf Soldaten gleichfalls mit aufgepflanzten Gewehren. Brod, Speck, Wein, Alles erklärten sie genehm für sich. Als ihnen Manches als letzter Vorrath des Hauses vorgestellt wurde, erklärten sie rücksichtsvoll, den „letzten Vorrath“ gerade nicht mitnehmen zu wollen; sie genossen Manches, entfernten sich dann höflich und wollte Einer gar noch dem „Pastor“ die Hand küssen.

Der Freitag Abend brachte uns den letzten Preußen, einen angesehenen Mann, als Gast in das Haus. Er stellte sich vor als Feldgeistlicher aus Köln, der sich freiwillig dem Corps „Beyer“ anschließen wolle. Er kam eben von Berlin, hatte die Gefechtsplätze Langensalza, Kaltennordheim, Zella und Kissingen besucht. „In Kissingen trägt in diesen Tagen Jedermann den Leichengeruch mit sich herum!“ Wir freuten uns eben so sehr des heroischen Entschlusses des wackeren Mannes, als wir zuvor bedauern mußten, daß das Corps Beyer großen Theils kathol. Rheinländer und Westphäler, von Beginn des Krieges an ohne kathol. Feldgeistlichen und auch hier ohne solchen im Gefechte war. Die Ursache dieses Mangels lag, wie öffentliche Blätter berichteten, wohl darin, weil die Geistlichen des Rheinlandes den Bruderkrieg für einen ungerechtfertigten von Seite Preußens hielten und darum sich auch als Feldgeistlicher keiner betheiligen wollte.

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