In einem anderen Zimmer fanden sie ein geladenes Gewehr. „Herr Je! mit dem Gewehre haben wir Preußen erschossen werden sollen!“ „Jch glaube es nicht“, sprach der Schlosser, „es ist ein Jagdgewehr, der Besitzer ist Jagdpächter.“ Bis auf den Dachboden wurde Alles durchstöbert. „Hier im Hafer sind sie vielleicht versteckt!“ sie stießen mit- ihren Säbeln nach allen Richtungen durch, ja sie stießen in alle Winkel des finsteren Dachbodens; es fließt kein Blut, es ertönt kein Schmerzensschrei, es sind keine Bayern da. „Wenn wir aber doch noch Bayern finden, werden Sie auch noch erschossen!“
Der gute Alte lebt wohl bis heute, doch wäre er fast mehrere Wochen nach dem hiesigen Treffen noch ein Opfer geworden. Im Begriffe, eine auf dem Schlachtfelde ausgegrabene Granate ihres Pulverinhalts zu entleeren, entzündete sich dieselbe unter einem furchtbaren Knall, verletzte sein Angesicht und machte ihn für einige Zeit arbeitsunfähig. Ein schlimmer Lohn für die Dienste, die er den Preußen noch weiter erwiesen. - Er mußte noch einige benachbarte Häuser öffnen. In einem fanden sie Schinken und mehrfachen Mundvorrath. „Herr Je! diese herzguten Leute haben väterlich für uns gesorgt, wenn Sie nur da wären, daß wir Ihnen danken könnten.“ Mit Herzenslust wurde der Schinken von den Westphälern zusammengesäbelt und verzehrt. Ein großer Löffel Reisbrei, den sofort Einer zum weit geöffneten Munde führte, hatte das schwarzbärtige Gesicht wie gräulich gepudert. „Aber Kinder rühret mir sonst im Hause Nichts an!“
Sehr bequem hatten es die Preußen in einem Hause der Niedergasse. Die Hausbesitzerin, eine Wittwe, hatte sich mit all den Ihrigen geflüchtet, ihr Haus ließ sie offen. In der Küche war Rindfleisch, ein Schinken u. s. f. bereit, zwar nicht für die Preußen, wohl aber für die bayer. Einquartierung, die auf den 10. Juli angesagt war. Als die Frau nach der preußischen Invasion zurück kam, fand sie ihr Haus voll Soldaten. In ihrer Angst versprach sie sofort, allerlei Gutes Ihnen vorzustellen. O weh! Schinken und Rindfleisch fand sich nicht mehr! „O haben Sie nur Geduld! ich will Eier und Pfannenkuchen bereiten!“ Potz Tausend! Auch der Eiertopf, auch der Schmalzhafen waren gründlich geleert. „Ach Mütterchen! machen Sie sich keine Sorgen mehr, wir sind schon zufrieden.“
Einzelne Mannschaften des Corps Beyer, das 20.000 Mann zählte, begaben sich zur Einquartierung in nahe Ortschaften; der weitaus größte Theil desselben blieb jedoch hier. Die Einquartierung geschah ohne Quartierzettel und war die Sache sehr einfach. Nach der Größe der Häuser ec. bemaßen die Ouartiermacher die Zahl der darin Einzuquartierenden; es erschienen mitunter mehrere Quartiermacher unabhängig von einander in demselben Hause, schrieben z. B. die Zahl 50 und 30 mit Benennung der Compagnie und des Regiments an die Hausthüre und kündigten die Mannschaft einfach an. - Wenn der eigene Vorrath der Hauseigenthümer aufgezehrt war, brachten sie selbst Fleisch ec. Manche abgelegene Häuser hatten auch keinen Mann Einquartierung, in manchen genossen wohl auch die armen Hausbewohner mit von den erbeuteten Vorräthen der Feinde.
Am Mittwoch den 11. Juli war Abmarsch der im hiesigen Gefechte engagirten Truppen gegen Schweinfurt und Kissingen. Abends Selbsteinquartierung großer Truppenmassen des v. Manteuffel'schen und v. Göben'schen Corps, die im Treffen von Kissingen in Aktion gewesen.
Donnerstag den 12. Juli von früh 5 Uhr bis spät Nachmittags ununterbrochener Truppen-Durchzug auf der Distriktsstraße gegen Gemünden unter dem höchst. Commandirenden General Vogel von Falkenstein. Abends Rückkunft des v. Beyer'schen Corps und Bivouaks auf den Saalwiesen vor der Sadt, links der Straße, die gegen Kloster Altstadt führt. Diese Nacht zählt zu unseren fürchterlichsten Erlebnissen. Einstürmen in die Häuser zu Selbsteinquartierung und Requisitionen, ein immerwährendes Durcheinander, Lärmen und Schreien bei den Fuhrwerken, Feuer auf den Wiesen und Bergabhängen ec.
Freitag den 13. Juli Abmarsch in das Mainthal auf der Distriktsstraße und auch über Diebach. Dauer des Zugs, incl. des Trains, bis Mittag. Am 13. Juli mußten für die Privatcollonen der Division des Generals v. Beyer 50 Pferde mit Geschirr zur zweispännigen Bespannung früh 8 Uhr bereit gehalten werden.
Samstag und Sonntag 14. und 15. Juli fortwährend Nachzügler, viele sehr indisciplinirt. - Eine Affaire am 13. Vormittags auf der Saalbrücke veranlaßte die Meinung, als ob ein kleines Scharmützel vor der Stadt sich ergebe. Die beiden Oekonomen Joh. Georg und Ludwig Fella von Weihersfeld kamen mit leeren Wägen gefahren, um Heu von einer Saalwiese nach Hause zu schaffen. Die Nachzügler glaubten, bequeme Fahrgelegenheit und Vorspann zu erhalten. Die beiden Oekonomen jagten davon, wurden jedoch mit vielen Flintenschüssen verfolgt, eines ihrer Pferde verwundet und nur zur Noth wieder gerettet.
Auch bei den vorerwähnten Durchzügen hatten die Bewohner allen Grund, auf der Hut zu sein. Wir gingen gerade am Bürgerspitale, als Artillerie einzog. Zu unserem Erstaunen waren wir Zeuge, wie aus einem Fenster des erstenStockes von Haus-Nro. 54 ein Soldat wie ein Gymnastiker sich auf die Straße, und ebenso schnell wieder auf den Wagen schwang. Die Hausfrau eben im Vorplatz beschäftigt, merkte den Hergang nicht, wohl aber vermißte der Hausherr 5 werthvolle Tabakspfeifen.
Es mag bezeichnend sein, daß wir von hiesigen Bewohnern mehrfach die Aeußerung hörten, ihre Erlebnisse des furchtbaren Brandes 1854 seien nur ein Kinderspiel gewesen gegen die Erlebnisse in der Woche des Gefechtes, der preußischen Invasion und Durchzüge.
*) Breun wurde unter Allerhöchster Anerkennung seiner echt patriotischen Handlungen mit der silbernen Verdienstmedaille des bayer. Kronordens decorirt.