Kurz vor und nach dem siegreichen Einzuge der Preußen bemühten sich hiesige Bewohner, vereinzelte Bayern, die nicht rechtzeitig mit ihren Abtheilungen retirirten, aus der Gefahr preußischer Gefangenschaft zu befreien. Ein kleiner Trupp vom 14. Inf-Regiment war auf der westlichen Seite des Marktplatzes zurückgeblieben und fast von den Preußen abgeschnitten worden, einige andere standen noch am Weihersthore, als schon die Preußen in der Nähe. Der hiesige Bürger und Commissionär Joseph Breun *) konnte sie noch auf die drohende Gefahr aufmerksam machen. - Schlosser Johann Keß traf auf der Straße etwa 12 Bayern, die des eindringenden Feindes halber nicht mehr zu den Stadtthoren hinaus konnten. „Wo finden wir einen Ausgang?“ riefen die Beängstigten. Keß führte sie durch die Kirchgasse an der Pfarrkirche vorüber, und wies sie der Stadtmauer entlang in den ärarialischen Zwinger, dessen Thüre er selbst bei dem Beginne des Treffens aufgesperrt hatte, auf daß Vieh in demselben vor den Augen des Feindes verborgen würde. Die Soldaten warfen Tornister und Gewehre über die äußere Zwingermauer, erkletterten dieselbe und erreichten glücklich das Freie.
Die Stadt hat nur drei Thore. Eines in nordwestlicher, eines in östlicher und eines in mehr südlicher Richtung; rings um die Stadt ist eine hohe, etwa 6 Fuß dicke Stadtmauer. Vom südlichsten Thurme bis zu dem dem oberen Thore nächsten Stadtthurme ist der ärarialische Zwinger, den eine innere hohe und eine äußere niedrigere Mauer einschließt.
Die Preußen hatten die Stadt endlich umzingelt und kamen zu den drei Thoren fast gleichzeitig herein. Viele stürzten mit dem Rufe: „Sind keine Bayern da?“ sofort in die Häuser.
Es gereicht zur Ehre der Bewohner, daß sie die zurückgebliebenen Soldaten möglichst gut verbargen. In der Saalmühle waren zwei mit leichten Rebbüscheln bedeckt und so den Augen des Feindes entzogen. Im Bürgerspital trug ein junger Soldat die Uniform-eines alten Pfründners; einige wurden schnell als .Krankenwärter bestellt, einer ließ sich für die erste Nacht ins Seelenhaus als krank aufnehmen. - Des anderen Tages gingen einzelne aus der Stadt mit Hacke und Spate wie zur Arbeit auf hiesigerMarkung. Einige besorgten einen Botengang nach Schweinfurt ec. Doch waren sechs Soldaten, vier vom 6., einer vom 14. Infanterie-Regiment und einer vom 1. Jägerbataillon in preußische Gefangenschaft - wie? ist unbekannt, - gerathen, verbrachten die Nacht in hiesiger -Frohnfeste und wurden am 11. Juli Morgens 6 Uhr als Gefangene weiter verbracht.
Manche grüßten beim Einzuge höhnisch: „Herr Bayer, Herr Bayer!“ Einen sehr übermüthigen Soldaten sahen wir, wie er eine bayerische Soldatenmütze frohlockend in der Hand schwang und einem vorübergehenden hiesigen Bewohner seine Pickelhaube auf den Kopf setzen wollte. Nur auf ernste Vorstellungen stand er von seiner Rohheit ab.
„Hausvater! trinken Sie zuerst!“ sprachen Viele aus Furcht vor Vergiftung, da sie in die Häuser eindrangen und zu Trinken begehrten; die in den Kellern an den Fässern selbst ihren Durst löschten, hatten diese Furcht nicht. Wo die Bewohner flüchtig, drangen sie häufig eigenmächtig in die Keller stillten nicht blos ihren Durst, sondern vergeudeten den Wein massenhaft, indem sie ihn selbst auslaufen ließen. In einem einzigen Hause wurde von Soldaten des 20. Regimentes (Berlinern) Wein im Werthe von nahezu 2000 Gulden vergeudet. Daß in diesem Weinkeller zu Haus-Nro. 121 ein Preuße im Weine ertrunken sei, war ein unwahres, anfänglich vielverbreitetes Gerücht. - Einen Keller, Haus-Nro. 9, verließen die Eindringlinge wieder ganz nüchtern, sie statteten, da dem Keller einen Besuch ab in Begleitung der im Hause zurückgebliebenen Dienstmagd. Hier faßten Einige auf dem Lager liegende gefüllte Rakoczikrüge und tranken aus vollen Zügen. Unbefriedigt kehrten sie wieder um, ohne dem Weinlager weiteren Schaden zu thun. - Einem preuß. Offizier wurde die Nachricht überbracht: „Im Wirthshause bei M. beschädigen die Soldaten den Weinkeller sehr, schleppen Wein davon ec.“ „Ist der Wirth zu Hause?“ fragte der Offizier. Auf die Antwort: „Nein, er ist geflüchtet,“ entgegnete er kurz: „da kann ich ihm nicht helfen, es geschieht ihm Recht!“
Dem Ernste und allgemeinen Schrecken der Bewohner fehlte während der Invasion nicht auch manche komische Scene. - Wie jetzt noch manche neue oder neu ausgebesserte Hausthüren Zeugniß geben, daß sich manche Soldaten den Eingang in verschlossene Häuser mit der Axt erzwungen haben, so muß man anderen nachsagen, daß sie anständiger waren, einen Schlosser requirirten, um sich die verschlossenen Thüren aufsperren zu lassen. So erschienen in der Wohnung des Schlossers Keß vier preuß. Soldaten: „Sie sind ein Schlosser, kommen Sie mit Ihrem Schlüsselbund und sperren Sie uns verschlossene Häuser auf, unser Herr General schickt uns; wenn Sie uns nicht folgen, erschießen wir Sie!“ Wohl oder übel mußte der Mann mit, zunächst um die vordere Eingangsthüre eines Hauses auf dem Marktplatze aufzusperren. „Sind in dem Hause keine Bayern versteckt!“ Es kamen solche zum Vorschein, nämlich Hausangehörige. Sie suchten allüberall. Sie fanden in einem Zimmer Papiere, die erst an demselben Morgen beschrieben worden waren. „Herr Je! hier haben heute bayer. Soldaten, hohe Offiziere gewohnt. wo sind Sie? wir erschießen Sie, wenn Sie uns deren Versteck nicht angeben!“