Glücklicher Weise haben viele Granaten, die noch in die Stadt geschleudert wurden, nicht gezündet, sondern blos kleine Beschädigungen der Gebäude veranlaßt, wie z. B. im Siechenhause, am Kloster Altstadt, Haus-Nro. 66, 73, 178, und mehrere andere in der Nähe des Niederthores und im nördlichen Stadttheile, doch aber auch in südlichster Richtung der Stadt wurden Gebäude beschädigt, so das Dach vom Thurme in der Nähe der Pfarrkirche abgehoben. Hier mögen jedoch Geschosse der bayer. Artillerie eingeschlagen sein. - Man stelle sich nun die an 5 Orten brennende Stadt vor, man denke sich die noch fortdauernde heftige Beschießung derselben - die Bewohner zum größten Theile flüchtig und Hilfe von den Nachbargemeinden unmöglich - wer wollte nicht auf den Knieen danken, daß die gütige Vorsehung mit schützender Hand über uns waltete, denn auch kein Lüftchen hat die Flammen genährt und weiter getragen! - Noch während des Gefechtes brachten hiesige Bewohner unter Lebensgefahr die Löschmaschinen an die Brandstätten. Privatier Lorenz Bohlig und der ledige Oekonom Adam Horrlein fanden allerhöchste Anerkennung, weil sie die erste dahin brachten. Den Brand zu löschen, haben sich wohl 100 hiesige Personen in Direktion der Maschinen, Herbeischaffung von Wasser ec. hervorgethan. Frau Elisabetha Franziska Schröder, geborene Heil, hatte sich im Wassertragen so angestrengt, daß sie schwer erkrankte und Nachts 10 Uhr von dem Verfasser mit den hl. Sterbsakramenten versehen wurde. An der Brandsiätte unwohl geworden, ging sie noch mühsam des Weges, stürzte jedoch vor ihrer Wohnung Nro. 345 zusammen, worauf sie von gerade anwesenden Preußen in das Haus verbracht wurde. - Gegen 4 Uhr nach Einzug der Preußen hatte es zum zweitenmale Sturm geläutet. Von Seite des kgl. Bezirksamts wurden Requisitionsschreiben an sämmtliche Orte des Amtsbezirke um Hilfeleistung erlassen und von preußischen Husaren an die Gemeinden überbracht. Ein solcher ritt selbst nach Oberthulba und erfüllte seinen Auftrag unter der dem dortigen Gemeindevorsteher sehr befremdenden Aeußerung: „Unsere Stadt Hammelburg brennt, wir brauchen Hilfe!“ Leider kam von auswärts keine Hilfe, da in manchen Gemeinden preußische Besatzung, in dennächsten wenige der Ortsbewohner zu Hause anwesend waren, im Allgemeinen aber sich Niemand nach Hammelburg wagte. Um so rüstiger arbeiteten die preuß. Soldaten mit den hiesigen Bewohnern zur Bewältigung des Feuers. Ehren halber wollen wir hier den Porteepét-Fähndrich Arthur Mejer vom 2. thüringischen Infanterieregiment Nro. 32 erwähnen. Obschon todtmüde verließ er sein Quartier in der Nacht vom 10. - 11. Juli 5mal, um nach kurzer Ruhe immer wieder auf der Brandstätte thätig zu sein. -
Soviel am späteren Abend auch Succurs kam von Hammelburgern, die wieder vom Fuchsstadter Walde in die Stadt zurückkehrten, die einheimischen Kräfte erlahmten mehr und mehr gegen Mitternacht, auch die preußische Feuerwehr fing endlich an, lässig zu werden, was nach den Strapatzen des Tages nicht zu verwundern, und es heulten Nachts ½ 12 Uhr die Sturmglocken zum viertenmale. - In lichterlohen Flammen züngelten die Feuersäulen zum Himmel und massenhafter Qualm erfüllte wieder die Stadt; die Befürchtung, Hammelburg werde eine volle Ruine, war im Steigen, wir sahen viele Bewohner in halber Verzweiflung, in stumpfer Resignation. - Der Verfasser dieser Zeilen begab sich da Nachts ½ 12 Uhr zur preuß. Hauptwache im Rathhause und ersuchte, daß man Boten in die ganze Umgegend ausschicke und unter Eskorte preußischen Militärs die Löschmannschaft der Gemeinden mit Löschgeräthen hieher geleitet würde. Der Gesuchsteller wurde freundlichst aufgenommen und seinem Gesuche, soweit möglich, Gewährung verheißen. - Ein Offizier, der mit auf die Brandstätte eilte, zeigte ungemeine Theilname, er bedauerte, daß das Feuer durch einige unglückliche Schüsse (!) der preuß. Artillerie entstanden sei. - In der Nacht griff hierauf das Feuer nicht weiter um sich. Morgens ½ 8 Uhr während des Gottesdienstes ertönten jedoch abermals die Sturmglocken, wir waren nahe am Schlusse der hl. Messe, die wir am Muttergottes-Altar endlich unter stiller Andacht der anwesenden Gläubigen celebrirten, ja endlich unter stiller Andacht! - Am Anfang der hl. Messe trat eine ältere Wittwe, Sophia Dehler, die bald darauf verstarb, in das Gotteshaus, händeringend erhob sie ein lautes Jammergeschrei; ihr Sohn hatte durch das Kriegsfeuer sein Anwesen sie selbst ihre Habseligkeiten verloren; was Wunder, daß da allgemeines lautes Schluchzen aller Anwesenden erfolgte und längere Zeit anhielt. Die erwähnte heil. Messe lasen wir am Altare der lieben Mutter Gottes nach der Meinung eines preuß. Soldaten. Derselbe, ein Jüngling, dessen Angesicht wie von Milch und Blut, dem Anscheine nach von feiner Bildungs suchte uns auf am Tage des Gefechtes und bat flehentlich, ihm doch diesen Liebesdienst zu erweisen. Er nöthigte uns endlich eine kleine Summe Geldes auf zur Verwendung für einen guten Zweck in dem so arg heimgesuchten Hammelburg. Wir wendeten dieselbe der Kleinkinder-Bewahranstalt um so lieber zu, als auch in deren Lokal einige Preußen am ersten Tage gewaltsam eingebrochen waren, Schränke und Tische erbrachen, und da sie Nichts fanden, ihren Unmuth durch Zerreißen blau-weißer Fähnchen ausließen, welche die Anstaltskinder bei ihren gemeinsamen Spaziergängen sich voraustragen. - Das Sturmläuten Mittwoch ½ 8 Uhr früh war das letzte, die Flammen waren noch einmal aufgeflackert ohne weitere Bedeutung.
Die Brandstätten boten ein trauriges Bild der Zerstörung und des Entsetzens. 56 Gebäude waren niedergebrannt. Bedauerlicher Weise wurden größtentheils arme hiesige Bewohner von diesem Unglücke betroffen. Leider entschädigten die Mobiliar-Versicherungs-Kassen nicht den Verlust an Mobilien, und selbst die Brand-Versicherungs-Kasse entrichtete nach den gesetzlichen Bestimmungen nur 1/3 der Verlustsumme, als ob Kriegsbeschädigte an ihrem Unglücke nicht ebenso unschuldig wären, als andere redliche Abbrändler, als ob sie nicht doppelt bedauerlich wären. Gewiß entsprach deßhalb der Antrag des Landtags-Abgeordneten Dr. Edel, die gesetzlichen Bestimmungen der Versicherungskassen zu Gunsten unglücklicher Kriegs-Abbrändler zu regeln, einem dringenden Bedürfnisse. Freilich ist der Antrag endlich gegenstandslos geworden; allen Kriegsbeschädigten greift das Kriegslasten-Ausgleichungsgesetz glücklich unter die Arme, doch wir meinen: die reichen Versicherungs-Kassen könnten durch geregelte gesetzliche Bestimmungen angehalten werde, in ähnlichen Fällen die erste Hilfe zu bringen.