Die Brandkatastrophe von 1854
Das Anzeigeblatt für die Landgerichts-Bezirke Arnstein, Euerdorf, Hammelburg, Werneck vom 2. Mai 1854 meldete: Unsere Stadt ist seit dem 25. d. Mts. ein Raub der Flammen geworden. An diesem Tage brach in einer mitten drin gelegenen Scheune um 11 Uhr Vormittags ein Feuer aus, welches sich, begünstigt von einem orkanähnlichen Sturme mit solcher Schnelligkeit über alle Theile der Stadt verbreitete, daß bis Nachmittags 3 Uhr 304 Häuser, die Nebengebäude nicht eingerechnet, bis auf den Grund eingeäschert dalagen. Schon in der ersten Viertelstunde waren die Hauptgebäude der Stadt, das k. Schloß, in dem das Landgericht und Rentamt sich befanden, das Postgebäude, die Spitalkirche sammt dem umfangreichen Hospitale und das altehrwürdige Rathaus von dem verheerenden Elemente ergriffen, ihm folgte sogleich der Turm der Pfarrkirche, der mit fürchterlichem Getöse bis auf das Mauerwerk in sich zusammenstürzte. Nur die nördlichste, etwa ein Viertheil bildende Stadtseite blieb von den Flammen verschont. Der Jammer und die Not sind in der Tat unbeschreiblich, die Folgen unabsehbar. Bei der geschilderten Rapidität, mit der das Feuer um sich griff, und welche die Wirksamkeit aller Löschanstalten vereitelte, war es fast keinem der Verunglückten möglich, von seiner Habe etwas zu retten, die Meisten hatten das Rettenswertheste in ihre Keller geflüchtet, allein wider Erwarten drang die Glut auch durch die festesten Gewölbe und so wurden buchstäblich nur die Kleider am Leibe gerettet. Ein großer Teil der Einwohner hat bereits die Stadt verlassen, um bei auswärtigen Verwandten eine Unterkunft zu finden, ein anderer wurde in den benachbarten Orten untergebracht.
Mit innigsten Dank muß die Bereitwilligkeit anerkannt werden, mit welcher von allen Seiten den Verunglückten Unterstützungen aller Art bereits geleistet worden sind, möge das im engsten Sinne des Wortes grenzenlose Elend auch die entferntesten Bewohner des weiten Vaterlandes zu milden Gaben bewegen!
Das am 25. d., als dem Tage nach Ausbruch des Feuers unter Vorsitz und Leitung Sr. Excellenz des Herrn Reg.-Präsidenten, Freiherrn von zu Rhein zusammengetretene Hilfskomite hat die Entgegennahme und möglichst richtige Vertheißung der einkommenden Unterstützungen in die Hand genommen; möge es in den Stand gesetzt werden, dem grauenhaften Elende, wenigstens für die nächste Zeit, nothdürftig zu steuern! Nur die Wohlhabenderen der Abgebrannten haben mehr oder minder Ersatz ihres Schadens aus Brandversicherungskassen zu hoffen; bei weitem der größte Teil dagegen ist nur höchst nothdürftig oder gar nicht versichert. Die Größe des Schadens kann zur Zeit nicht einmal annähernd berechnet und mit Ziffern angegeben werden, ergibt sich jedoch zur Genüge aus dem Geschilderten.
Seine Excellenz, der Herr Reg.-Präsident, begleitet von dem k. Herrn Reg.-Ass. Treppner, dem Herrn k. Kreisbauingenieur Reuß und dem k. Herrn Gendarmerie-Hauptmann Frh. v. Leoprechting, erschienen schon nachts 2 Uhr auf der Brandstätte, um von dem Umfange der Zerstörung persönlich Augenschein zu nehmen, wo derselbe bis 10 Uhr des anderen Tages auf der Brandstätte verweilte und persönlich zweckmäßige Löschungs- und Sicherungsvorkehrungen anordnete. Auch wurden von Sr. Exc. dem k. Herrn Reg.-Präsidenten ein vorläufiger Unterstützungsbeitrag von 500 Fl. dem Hilfskomite zur zweckmäßigen Verfügung überwiesen, und 100 Fl spendeten. Dieselben als eigenes Geschenk zur Vertheilung unter die Hilfsbedürftigen. Heute ist der k. Regierungsrath Frh. v. Gumpenberg als Reg.-Kommissär eingetroffen, um die Leitung des Unterstützungswesens zu übernehmen. Unmittelbar nach seiner Ankunft rückte auch, zur Sicherung der Überreste an beweglichem Eigentum, soweit sich solche bei der eben beginnenden Fortschaffung des Schuttes auffinden lassen, zur Handhabung der Ordnung, wie zur Verhütung von Sicherheitsstörungen, ein Detachement von 55 Mann Infanterie hier ein und hat sich bereits hierorts einkaserniert. (Doell gibt den Totalverlust mit fast 1 Million Gulden, die Entschädigungen mit 340000 Fl., Mobiliarversicherungen mit 180000 Fl. und Spenden mit 80000 Fl. an.)
Zeitgenöss. Bericht.
Der Aufruf des „Hülfs-Komites", erlassen zu Kloster Altstadt am 30. April läßt dann den ganzen Umfang jener schrecklichen Wunde erkennen, welche der feurige Arm geschlagen hat: „ . . . mehr als 300 menschliche Wohnungen sind in einen Schutthaufen verwandelt; mehr als 2000 Menschen haben Wohnung und Obdach verloren; weinend sitzen Väter und Mütter, Kinder und Greise auf den Trümmern ihrer Habe. Schwer lastet die Hand des Herrn auf unserer unglücklichen Stadt!" Ein weiteres Dokument für das Ausmaß jenes schrecklichen Unglücks ist ein Bildbericht, eine rührend einfache, getuschte Zeichnung, entstanden kurz nach der Brandkatastrophe, denn noch schwelen kleine Brände über geschwärzten Trümmern; ihrer Dächer beraubt starren die Kirchen und das Schloß; die Treppengiebel von Rathaus und Spital. Die Trümmerstätte beschwört wie ein Phantom die Erinnerung herauf an die Brände des mitleidlosen Bombenkriegs der Jahre 1944-45 . . . Angesichts gnadenlosen Schicksalsschlages rätselt der kleine Mensch an dem Warum? Einige junge Burschen sollen zuvor einmal eine Strohpuppe verbrannt haben, die den Papst dargestellt habe. In den Anwesen des einen von ihnen sei der Brand ausgebrochen. Es war aber nicht ganz so, wie zuverlässig berichtigt wird. Keine Lästerung der Kirche sei beabsichtigt gewesen; es war nur eine Auseinandersetzung zwischen jungen Burschen und kein Frevel, der Gottes Strafe herabzog. Doch eine andere Überlieferung ist glaubwürdig bezeugt, nach der ein Franziskanerpater mit dem - heute noch rauchgeschwärzten - Kreuz der Spitalkirche dem Feuer Einhalt getan.
Und leuchtend erhebt sich auf dunklen Grund das edle Beispiel vielfältiger Guttat an den armen Abbrändlern, das schon innerhalb einiger Jahre die Wunden des Markustages, des großen Brandes vor 100 Jahren heilen ließ.