Hammelburger Geschichte(n)

 

Die Wunden des Markustages

Um das Ausmaß der Zerstörungen des Brandunglückes vom 25. April 1854 ermessen zu können, müßte man sich das Landstädtchen Hammelburg mit all seinen romantisch-malerischen Bauten gezeichnet denken, so wie es durch den Brand an jenen unheilvollen Frühlingstag überrascht wurde.
Wir haben davon einen ungefähren Begriff, wenn wir Seb. Münsterers Zeichnung der Weltseite von 1628 und Merians Stich von 1850 betrachten, bei denen allerdings das Rote Schloß noch fehlt. Eingebettet ins weite Wiesental des Saalebogens, umhegt von hellen, mit Obst und Wein bepflanzten Flügeln, umgürtet vom Mauerkranz mit seinen 13 Türmen, aus dem sich die Glockentürme der 3 Kirchen und die Treppengiebel von Spital   und   Rathaus   aufreckten;   am  Westrand  dominierend mit roten Mauern und Mansardendächern das altfuldische Schloß: so bot sich dem Beschauer das Musterbild eines idyllischen, wehrhaften Ortes dar, zu dem die uralte Steinbrücke mit ragendem Brückenturm sich hinüberschwang. Bis zum feurigen Tage St. Markus 1854! ....
Da wurden aus dem Reif dieser Fränkischen Mauerkrone viele Edelsteine herausgebrochen: die „Newe Kirchen" am Thürmersplatz fiel dem Brand ganz zum Opfer; Türme und Dächer verloren Stadtkirche und Spital, seine steilen Mansarden verbrannten dem Roten Schloß; die heutigen blaugrauen Zeltdächer sind dafür nur ein unvollkommener Ersatz. Am stärksten betroffen wurde das Rathaus. Nicht nur, daß die reichgeschmückte doppelläufige Außentreppe zerbarst, auch der Figurenschmuck des Zinnengiebels war im Dezembersturm 1854 erdgültig dahin; nur die Wasserspeier im Schloßgarten lassen die Bildhauerkunst des Georg Schoner, welche die Rathausfront zu einem Prunkgiebel gemacht hatte, noch ahnen. Die ganze Stadtsilhouette aber erlitt eine künstlerische Einbuße durch die Niederlegung der 3 Torbauten. Es sank in Trümmer das malerische Weihertor mit dem Turm, mit seinem Fachwerkvorbau und der Pechnase. Gegen Fulda zu, im Norden des Berings, hatte das Niedertor sich bis zum Brand seinen Torturm mit Laterne bewahrt. Dieser Torbau verschwand, ebenso wie der doppelte des Oberen Tores gegen Kissingen zu. Und als bescheidener Rest der übrigen 10 Mauertürme verblieben nur die letzten drei: der Mönchsturm mit seinem Storchennistplatz, der Hüterturm, ehedem „Wächters Hütt" genannt und die Ruine des ehemals 5geschossigen Baderturms. Auch der massige Brückenturm mußte den Räumarbeiten zum Opfer fallen; ein weiterer markanter Turm im Stadtbild war dahin.
Unübersehbar ist natürlich auch der Verlust an schönen Bürgerhäusern und Höfe, welche mit ihrem mainfränkischen Fachwerk früher das Straßenbild belebten. Was nach 54 wiedererstand, zeigt alle Spuren eines schnellen und nicht ganz planvollen Wiederaufbaues. Wir können heute nur an den wenigen schönen Häusern der Bahnhofstraße ermessen, was das Feuer an malerischen Bürgerhäusern verzehrt hat.
Es ist einem solchen Verluste gegenüber fast erstaunlich, daß die kleine fuldische Residenz trotz all dieser tiefen Wunden, zu denen auch noch die des Brandes vom Juli 1866 kamen, sich doch den Charakter eines historischen Städtchens bewahren konnte. Ihn zu pflegen ist auch heute noch eine Aufgabe, die sich jeder angelegen sein lassen sollte.
Kbr.

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