Nachts ½ 12 Uhr heulte nochmals die Sturmglocke, - schon zum vierten Male, - alleine Jeder hatte im eigenen Hause mit Zufriedenstellung des einquartierten Feindes zu schaffen, viele Flüchtlinge waren immer noch auswärts, und so mußte das Feuer sich überlassen werden. Am 11. Juli, an welchem Tage früh 6 Uhr das ganze Corps Beyer gegen Schweinfurt aufbrach, lagen 56 Gebäude in Asche.
Hammelburgs Bewohner glaubten nun, daß der Schrecken des Krieges an ihnen vorübergegangen sei, aber am Mittwoch 11. Juli Abends ertönte der Schreckensruf: „Die Preußen kommen wider“, und alsbald rückte ein Husarendetachement ein, ankündigend, daß große Truppenmassen des v. Manteufel’schen und v. Göben’schen Corps, welche Tags zuvor bei Kissingen im Treffen waren, nachfolgen würden.
Diese ließen nicht lange auf sich warten, es folgte wieder eine furchtbare Nacht, die Einquartierungen waren noch stärker als Tags zuvor, Lebensmittel fast nicht mehr aufzutreiben.
Am Donnerstage den 12. Juli dauerte der Durchzug der Mainarmee gegen Gemünden von früh 5 Uhr bis spät am Nachmittage; jetzt hoffte man der schlimmen Gäste sicher los zu sein.
Allein Abends kam noch das Beyer’sche Corps nach, bezog theilweise Bivouak‘s und quartierte sich, als es schon gegen Mitternacht ging, mit dem Reste selbst ein. Diese Nacht war die schlimmste; die Thüren der Häuser wurden eingestoßen und ganze Haufen Soldaten drangen ein, Quartier und Labung begehrend. Letzterer konnte nicht mehr gereicht werden. Die am Freitage noch eingetroffenen Nachzügler warfen sich, da in der Stadt Nichts mehr an Lebensmittel aufzutreiben war, auf Schloß Saaleck und hausten dort sehr übel.
Der materielle Schaden, welchen Hammelburg durch die preußische Invasion und die Durchzüge erlitt, ist wohl – mit Ausnahme der Verluste durch den Brand – mit den großartig von allen Seiten geleisteten Unterstützungen und der in ausgiebigstem Maße gewährten Staatshilfe vollkommen ausgeglichen worden, die Schrecken der Woche vom 8. Bis 15. Juli 1866 aber werden in Aller Andenken Zeit Lebens bleiben.
Noch einmal auf das Gefecht zurückzukommen, so muß erwähnt werden, daß das 1. Und 3. Bataillon des 6., das 1. Und 3. Bataillon des 14. Infanterieregiments, das 1. Jägerbataillon die die gezogene Batterie Lottersberg bei H. vereinigt waren und vier Stunden lang den Preußen, welche nach ihrer eigenen Angabe 16,000 Mann stark waren, tapferen Widerstand leisteten. Der Verlust der Bayern an Todten wird auf 19, der gleiche Verlust der Preußen auf 22 Mann angegeben, während die Bayern 55, die Preußen aber 72 Verwundete hatten42 . Diese Angaben sind aber, namentlich was die Preußen betrifft, kaum erschöpfend; denn es steht fest, daß von ihnen noch Todte rückwärts des Schlachtfeldes verbracht und beerdigt, auch Verwundete fortgeschafft wurden welche nicht genannt sind.
Es ist über die unseligen Vorgänge bei Kissingen am 10. Juli 1866 Vieles geschrieben und verhandelt worden; ganz dasselbe Verhältniß war auch bei Hammelburg gegeben; hier wie dort hörte die Hauptmacht der bayer. Artillerie43 aus angemessener Entfernung ruhig dem Lärm des Gefechtes zu.
Wir wollen nicht versuchen, den Schleier, welcher über diese traurige Kriegsführung geworfen ist, zu lüften, obwohl wir als Augenzeuge so manche Aufklärung geben könnten; vergessen sei die schmerzliche Katastrophe, und wir folgen dem Ausspruche Lichtenbergs, der hieher zutreffend sagt: „Wenn man aurch die Hand voll Wahrheit hat, so soll man sie doch nicht aufmachen.“
Wer auch die schwere Verantwortung des unnütz vergossenen Blutes tragen mag, die bayerischen Truppen, welche im Gefechte bei Hammelburg waren, haben ihre Schuldigkeit in so hohem Maße gethan, daß ihnen die Preußen sogar das gebührende Lob nicht versagen konnten. Der Tag bei Hammelburg war ein würdiges Vorspiel der Bravour und Ausdauaer, welche die bayerische Armee auch im jüngsten Kriege gegen den französischen Erbfeind so glänzend bewährte.
Kein äußeres Zeichen erinnert uns an die Thaten bayerscher Truppen; dagegen haben die Preußen zu Ehren ihrer gefallenen, dem 39. Infaterie-Regimente angehörigen Krieger auf dem Galgenberge c. 200 Schritte rechts von der Hammelburg-Brückenauer Straße ein Denkmal errichtet, welches uns auch die Leistungen der Bayern gebührend vor Augen halten mag.
Dasselbe besteht aus einem Haufen unbehauener Steine, auf welchem ein 5 Schuh hoher Würfel von rothem geschliffenen Sandstein ruth. Auf dem Würfel steht von gleichem Sandsteine ein Kreuz, 6‘ hoch. Auf der Frontseite gegen Westen befindet sich die Inschrift: „Den gefallenen Helden44 in treuer Kameradschaft das Offiziercorps des Kgl. Pr. Niederrheinischen Füsilierregimentes Nr. 39; dieser Seite entgegengesetzt gegen Osten ist ein Lorbeerkranz mit der Inschrift „zur Erinnerung an den 10. Juli 1866“ eingehauen. Auf den beiden andern Seiten des Würfels sind die Namen der hier Gefallenen zu lesen, nämlich:
8. Compagnie: Wilhelm Olllerdissen, Emil Ellenbeck, Füsiliere;
9. Compagnie: Ludwig Schröder, Fusiliere;
12. Compagnie: Otto Brandt, Gefreiter, Heinrich Brummert, Heinrich Hofmann, Peter Bolz, Fusiliere;
Secondelieutenant und Bataillons-Adjutant Hermann v. Arndt;
6. 5. Compagnie: Heinrich Störckmann, Unteroffizier, Heinrich Herr, Johann Mühler, Füsiliere;
7. 6. Compagnie: Gustav Kester, Bernard van Wüllen, Füseiliere:
8. 7. Compagnie: Franz Pinkow, Sergeant, Franz Heinemann, Unteroffizier, Franz Knepper, Heinrich Eßmann, Füsiliere.
Es sind dieses, wie gesagt, nur die Namen der Gefallenen vom 39. Regiment; andere Grabstätten befinden sich auf den Kirchhöfen zu Hammelburg und Untererthal. Das Denkmal ist mir steinernen Pfeilern, welche mit eisernen Ketten verbunden sind, umgeben und von Herrn Deppisch in H. ausgeführt.
Die Bitterkeit, welche dieser unselige Bruderkrieg bei allen davon Betroffenen zurücklassen mußte, ist wohl nach dem jüngsten deutsch-französischen Nationalkriege allenthalben verwischt. Die Einheit ist dem theuren Vaterlande nach schmerzlichen, schweren Opfern errungen; möge ihm auch, ohne daß es neue Opfer kostet, die Freiheit recht bald erblühen, und mögen dann nur Tage des Friedens, welcher allein das Glück der Völker begründen kann, uns beschieden sein!
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