Hammelburger Geschichte(n)

Hammelburg war in der That ein glückliches, wohlhabendes Städtchen geworden.
Da ging nach einer eisig kalten Nacht bei heftigem Nordostwinde am 25. April 1854 die Sonne in Unheil verkündender Morgenröthe über unsere Stadt auf.
Wie alljährlich hatte sich an diesem Tage die St. Marcus-Prozession nach Kloster Altstadt begeben, an welcher fast die ganze Einwohnerschaft Theil nahm.
Der Gottesdienst war eben im Kloster beendigt und das Volk heimgekehrt, als der Schreckensruf „Feuer“ durch die Straßen schallte und die von den Glocken der Thürme gegebenen Feuersignale ein furchtbares Unglück verkündeten. Es waren kaum die Nothrufe gegeben, als auch schon ganze Häuserreihen in hellen Flammen standen und der heftige Wirbelwind die mächtigen Feuersäulen von Dach zu Dach trieb, so daß die Einwohner an eine Rettung der Habe kaum denken konnten.
Das in der Mitte der Stadt in der Scheune der Damian Kaiser Wittwe ausgekommene Feuer 36 fand bei der lange vorher angedauerten trockenen Witterung in den meist von Holz erbauten Häusern reiche Nahrung und machte, vom Winde gepeitscht, weite Sprünge; die mächtige Flamme wurde sogar auf dem Pflaster fortgetrieben, so daß Häuser, welche noch ziemlich weit vom anfänglichen Feuerheerde entfernt standen, ganz plötzlich unten und oben zu brennen anfingen.
Angst und Entsetzen lähmten vollends die Arme der Menschen, an ein Einhalten des wüthenden Elementes, an wirksame Löschungsarbeiten war nicht zu denken und als auch noch die drei einigen und beengten Thorausgänge mit Flüchtlingen, Wägen und allerlei Habseligkeiten, welche man retten wollte, sich stopften, erfüllte neben dem Prasseln der Flammen und dem Getöse zusammenstürzender Gebäude ein so entsetzliches Jammergeschrei der Unglücklichen die Luft, wie es wohl selten gehört wurde.
Fort und fort griff das Feuer – nach allen Richtungen - um sich; das altehrwürdige Rathhaus, das prächtige Schloßgebäude, die Schule, Post, Apotheke und das Spital standen fast zu gleicher Zeit in hellen Flammen, der Kirchenthums stürzte in weingen Minuten zusammen, die hölzernen Brunnenstöcke brannten, die Feuerspritzen mußten verlassen werden  und wurden theilweise selbst vom Feuer ergriffen, die Gartenzäune vor der Stadt fingen zu brennen , - die ganze Stadt schien dem sicheren Untergange geweiht.
So tobte der Feuersturm, - bis gegen 4 Uhr Nachmittags der Wind sich legte, und die von auswärts, insbesondere von Kissingen, gekommene Hülfe das Feuer von den wenigen noch übrig gebliebenen, meistens unter dem Schutze der Stadtmauern gestandenen Gebäuden abwehren konnte.
In nicht ganz 4 Stunden waren drei Viertheile der Stadt ein unförmlicher Schutthaufen, aus welchem nur einzelne Mauern hervorragten; 303 Haupt- und 370 Nebengebäude, darunter die größten und schönsten, waren zerstört. Der Totalverlust an Gebäuden, einschlüssig der öffentlichen, entziffert den Werth von nahezu einer Million Guldan, der Verlust an Mobilien sicher 500,000 Gulden. Auch vier Menschenleben sind bei dem Unglücke zu beklagen. Eine Person ist spurlos verschwunden, eine Weibsperson verbrannte im Spitale, eine andere im Thürmerthurme, eine vierte Person verstarb andern Tages an erhaltenen Brandwunden.
An Entschädigungen wurden aus der allgemeinen Immobiliarversicherungkasse nur 340,000 fl. und von den verschiedenen betheiligten Mobiliarversicherungsgesellschaften circa 180,00 fl. geleistet, wozu noch c. 80,000 fl. freiwillige Gaben und Collektengelder zu rechnen sind. Der Verlust der Bewohner war sonach ein enormer.
So schnell waren vom Feuer auch die Landgerichtslokalitäten (im Schloßgebäude) ergriffen worden ,daß nur einige Hypothekenbücher, Taxregister, die Kasse, die Depositen und Depositenbücher gerettet werden konnten. Sämmtliche Akten und die Hypothekenbücher für 16 Gemeinden verbrannten. Es war eine wahrhaft kolossale und ungewöhnlich schierige Arbeit, das Gericht zu restauriren und die Geschäfte im Laufe zu erhalten. Doch wurde mit zahlreichem Personale, nachdem Ende Juni das bis dahin in Kloster Altstadt aufgeschlagen gewesene Landgericht in die nothdürftig hergestellten Räumlichkeiten des Rentamtes verlegt worden war, sofort an die Wiederherstellung der Akten und Hypothekenbücher gegangen, und so rastlos und so glücklich gearbeitet, daß nicht alleine kein Stillstand in den Geschäften stattfand, sondern auch schon nach zwei Jahren die Akten redintegrirt und namentlich die verbrannten Hypothekenbücher wieder hergestellt, sowie die geretteten umgearbeitet waren. Das wichtigste an diesen Arbeiten aber ist der Umstand, daß aus der Neuschaffung keine Unordnungen entstanden, und nur ein einziger Rechtsstreit über Hypothekenpriorität zu entscheiden war, welcher sich übrigens au einen schon vor dem Brande ausgebrochenen Conkurs bezog 37.
Wie schon erwähnt, blieben in Folge des Brandes nur die Spuren ehemaliger menschlicher Wohnungen zurück.
Bei den beginnenden Neubauten stellten sich nun in Bezug auf Regelmäßigkeit, Verschönerung und Zweckmäßigkeit der zur besonderen Thätigkeit berufenen Baupolizei bedeutende Schwierigkeiten entgegen. Zunächst bestanden diese in den übrig gebliebenen, meist erhaltenen Kellerräumen, weil diese mit den abgebrannten Wohn- und Wirthschaftsgebäuden in innigstem Zusammenhang standen und beim Wiederaufbaue sehr maßgebend werden mußten. In Folge dessen mußten auch die alten Straßenrichtungen beibehalten werden. Schon beim Vorrücken oder Zurückdrängen einzelner Ecken oder auch ganzer Häuserreihen um nur wenige Zolle machten sich pekuniäre Rücksichten, oft aber auch eigensinniges Festhalten am Alten bemerkbar, gegen welche vergeblich gekämpft wurde. Es konnte deshalb durchschnittlich nur an den unabänderlichen Regeln der Feuerpolizei festgehalten und im Ganzen weiter Nichts erreicht werden, als daß die vor dem Brande so häufig verkommenden Winkel zwischen den Häusern möglichst beseitigt und die Giebel von der Straße ab gegen die anstoßenden Häuser verlegt wurden.
In Bezug auf Straßen und deren Richtungen hat also die Stadt wenig Veränderungen erlitten; das das Ansehen der neuen Häuser hat sich gegen die alten bedeutend geändert, wenn auch nicht immer zu Gunsten des Neueren.
Die Ausführung der meisten Privatbauten läßt in ästhetischer, technischer und comfortabler Beziehung viel zu wünschen übrig, und tragen hieran ebensoviel die Baumeister, als die Vermögensverhältnisse der Abgebrannten Schuld. Spekulationssucht einerseits und das Bedürfniß des Wiederaufbaues anderseits zogen Bauleute aus aller Herren Länder herbei, von, den Jeder seinen Ideen Gestalt und Körper zu geben suchte.
Dazu kam noch, daß die Arbeitslöhne und Materialpreise bei dem allseitigen großen Bedarfe sich enorm, oft um 40 bis 80 Prozent steigerten, und man möglichst sparen mußte.
So tragen den die Neubauten alle das Gepräge dieser verschiedenartig hervorgerufenen Mannichfaltigkeit, wobei noch die Verschiedenheit der Baumaterialien die Abwechslung erhöhet. Dagegen zeichnen sich aber auch, neben den Staats-, Gemeinde- und Stiftungsbauten, mehrere Privathäuser sehr vortheilhaft aus, so daß der Totaleindruck, welchen das aus der Asche neu erstandene Hammelburg macht, immerhin ein sehr befriedigender ist.
Mit dieser Außenseite stehen aber die inneren Zustände in grellem Widerspruche; Hammelburg, durch den Brand in seinem frühen Wohlstande ruinirt, sah nur wenig frohe Tage mehr. Die Schuldenlast, welche sich die Einzelnen aufbürden mußten, erdrückte alsbald mehrere Bürger und Andere, die sich unter Mühen und Entbehrungen durchhalfen, können nur von einer glücklilchen Zeit Erleichterung und Errettung hoffen.
Die Schulden der Commune, welche vor dem Brande in 20,000 fl. bestanden, betragen dermalen noch 72,00 fl.
Doch waren nach dem Brande allmählich wieder vollkommen geordnete Zustände eingetreten, fleißiges Schaffen und Wirken ließ die klaffenden Wunden leichter verschmerzen, und die guten Weinjahre 1857, 58, 59, 1962, 1965 hatten manchen finanziellen Nöthen abgeholfen, oder sie doch gelindert. Da kam ein neues Verhängniß über die vielgeprüfte Stadt.
Der morsche deutsche Bund war am 14. Juni 1866 in Frankfurt zersprengt worden, der Krieg Preußens und seiner Verbündeten gegen Oestreich und seine Alliirten, unter denen Bayern die erste Stelle einnahm, begann.
In schnellen, wuchtigen Schlägen hatte das lange vorbereitete und gerüstete Preußen das sorglose, mißregierte Oestreich in Böhmen niedergeworfen; die s. g. Mainarmee, nachdem sie den kurzen Widerstand Hannovers gezwungen, rückte gegen Bayern vor.

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