Hammelburger Geschichte(n)

Hammelburgs Bewohner, welche seit dem 22. Juni fast täglich Durchzüge bayerischer Truppen mit bedeutenden Einquartierungen erlebten, und am 5. Juli früh mit Bestürzung die Hiobspost jener Ausreißer aus der unglücklichen Affaire bei Hünfeld aufnahmen, schon Nachmittags aber die ganze Reservekavallerie unter Taxis mit dem Stabe wohlbehalten und stattlich in ihre Mauern einziehen sah, wo sie, sowie in der Umgegend liegen blieb, konnte am 8 Juli Abends, wo die Nachricht vom Anmarsche der Preußen auf Brückenau eintraf, über das bevorstehende Schicksal nicht mehr zweifelhaft sein. Die Ordre des bayerischen Oberbefehlshabers, Prinzen Karl, daß die Saalübergänge bei Kissingen und Hammelburg vertheidigt werden müßten, schien am 9. Juli verwirklicht werden zu sollen. Infanterie- und Jägerbataillone mit Artillerie rückten von Neustadt her ein; erstere wurden, ebenso wie eine Tags vorher durchmarschirte Infanterie-Truppe, gegen Brückenau vorgeschoben, letztere postirte sich auf den Höhen um Hammelburg. Entgegen den immer noch vom Taxis’schen Quartiere aus verbreiteten Nachrichten, daß die Preußen, sondern die verbündeten Würtemberger, Badenser und Hessen von der Rhön her vorrückten, brachte ein ausgesandter Späher die sichere Kunde von den bereits in Geiersnest stehenden preußischen Vorposten. Panischer Schrecken ergriff die Einwohner, und bereits am Nachmittage des 9. Juli flüchteten einzelne Familien.
Am 10. Juli früh wurde es nun auch im Taxis’schen Hauptquartiere lebendig, der Fürst ritt mit seinem Stabe auf Rekognoszirung gegen Untererthal, die Bagage aber entfernte man gegen Würzburg zu.
Die Artillerieaufstellung wurde verändert; 2 Geschütze waren gegen Untererthal seitwärts der Straße, die übrigen 6 jenseits der Saale in der Nähe des Klosters Altstadt postiert worden. Ein neues Bataillon Infanterie zog durch die Stadt und das Brückenauer Thor, Kuirassiere, Chevauxlegers und Uhlanen wurden hin und her dirigirt, es war viel Bewegung, aber wenig Plan zu bemerken.
Die Besonnenen schüttelten bedenklich die Köpfe, die Aengstlichen wollten sich nicht den feindlichen Kugeln Preis geben, und so wurde die Flucht der Einwohner fast allgemein. Die wenigen zurückgebliebenen Bewohner beeilten sich, ihre werthvolle Habe in den Kellern zu bergen, da man mit Recht eine Beschießung der Stadt, welche zwischen zwei Feuer kommen mußte, und Brandunglück fürchtete.
Gegen 10 Uhr standen 4 Bataillone Infanterie in und um H.; auf dem Marktplatze und in den Straßen wurde der durch anstrengende Märsche erschöpften Mannschaft Speise und Trank verabreicht, Andere menagirten in den Häusern. Da wurde Kanonendonnr von Untererthal her hörbar. Der Generalmarsch sammelte schnell die Truppen, welche nun vor dem Niederthore am Siechhause, auf der Brückenauer Straße und unterhalb des Heroldsberges im dortigen Hohlwege Stellung nahmen. Die preußische Division Beyer, bestehend aus dem 20., 30,. 32., 39. Und 70. Infanterieregimente und dem 9. Husarenregimente mit 36 Geschützen war in der Frühe von Brückenau abmarschirt und nach 10 Uhr schon aus dem Forste bei Untererthal hervorgebrochen, wo auf dem Rothensteine ihre Geschütze sofort gegen die am Schneidberge aufgestellten 2 Kanonen der Bayern und das am Bergabhange der Keßmühle lagernde Jägerbataillon ihr Feuer eröffneten. Artillerieoberlieutenant Tauscheck konnte mit seinen 2 Gechützen in vollständig exponirter Stellung nicht lange Stand halten, er wurde durch einen Granatsplitter schwer verwundet38 , und die Stellung aufgegeben. Die Geschütze konnten noch gerettet werden; auch die Jäger retirirten über die Höhen.
Ohne Widerstand drangen nun die Preußen, nachdem sie das schwache Barrikadenhinderniß auf der Thulbabrücke bei der Keßmühle beseitigt hatten, auf die Höhen von H. vor, und wurden zuerst der auf der Straße zwischen Hammelburg und Diebach „wie zur Parade aufgestellten“ Kavallerieregimenter ansichtig. Einige Granaten in die Reiter geworfen, thaten ihre Wirkung39 , es erfolgte deren Rückzug über Diebach und von da über Obereschenbach ins Mainthal 40.
Doch wenn die bayerische Reservekavallerie so leicht das Feld räumte, so war dem nicht so mit den übrigen Truppentheilen. Die 6 Geschütze der Batterie Lottersberg in der Nähe von Kloster Altstadt nahmen den ihnen von den schnell auf dem Galgen- und Seeberge aufgefahrenen preußischen Batterieen angebotenen Kampf ernergisch auf, konnten aber die Entwicklung der bedeutenden preußischen Streitkräfte nicht hindern. Bald hatte auch das Gewehrfeuer an allen Orten begonnen. General v. Schachtenmayer hatte das 20. Und 32. Preußische Infanterieregiment gegen die Höhe links der Chaussee vorgeführt und wurde von den Bayern mit sicher treffenden Schüssen wacker begrüßt. „Die bayerische Infanterie schießt ausgezeichnet“, hörten wir nach dem Gefechte oft die Preußen sagen; auch der kühne preußische General Schachtenmayer konnte an diesem Tage seinem Schicksale nicht entgehen. Sogleich im Vorrücken verliert er ein Pferd, schnell darauf erhält er einen Streifschuß an der linken Hand und einige Minuten später durchbohrte eine Kugel ihm die Rechte41. Die Kugeln der Bayern fanden immer richtiger ihr Ziel; - Seconde-Lieutenant Bollmann vom 32. Regiment stürzte einige Schritte vom General mit einem Schusse im Hals zu Boden, dem Bataillonsadjutanten v. Bosse wird der Oberschenkel zerschmettert, Hauptmann v. Johnston erhält ebenfalls einen Schuß in den Oberschenkel,; die Preußen fangen an zu stutzen, ihre Bewegungen werden langsamer und sie scheinen ernstlicher die Lage übersehen zu wollen. Es mußte ihnen kaum glaublich sein, daß so geringe Streitkräfte, wie sie vor Augen hatten, für sich alleine ernstlichen Widerstand leisten könnten oder wollten, und es lag die Vermuthung nahe, daß die Hauptmacht der Bayern in der Stadt concentrirt sei, und daß H. für einen Offensivstoß festgehalten werden wolle. Einige Barrikaden, welche in der Eile in der Judengasse errichtet worden waren, und welche die Preußen von den Höhen aus recht gut sehen konnten, mögen auch das Ihrige zu dieser Meinung des Feindes beigetragen haben. Es wurde deshalb gegen ½ 1 Uhr, während die preußischen Batterieen eine wahrhaft furchtbare Kanonade unterhielten, Brandraketen in die Stadt geworfen. Alsbald zündeten die schrecklichen Gechosse an 6 verschiedenen Stellen im alten Stadttheile, nämlich in der hohen Gasse und in der Judengasse. Andere Granaten schlugen in den Straßen auf und durchlöcherten viele Häuser, ohne jedoch zu zünden. Die Lage der in den Kellern der Häuser versteckten Bewohner war eine sehr bedenkliche geworden; immer noch wurde die Stadt beschossen, obschon die kleine Besatzung schon bei den ersten eingeschlagenen Granaten sich aus der Stadt entfernt hatte. Die Rauchsäulen stiegen hoch von den Brandstätten empor, einige muthige Männer brachten auch mit Lebensgefahr Feuerspritzen an Ort und Stelle, mußten sie aber wieder verlassen, weil Niemand seines Lebens vor den sausenden Geschossen sicher war und Löschmannschaft nicht erschien; der größte Theil der Einwohner war ja geflüchtet.
Während dessen wankt das Häufchen Bayern vor den Thoren nicht; wir hören in der Stadt unaufhörliches Pelotenfeuer: unsere 6 Kanonen, obwohl ein ganzer Hagel von Kugeln aus den 36 preußischen Geschützen gegen ihre allerdings ziemlich gedeckte Stellung geschleudert wurde, schweigen noch nicht. Noch haben wir Hoffnung, ein eingebrachter Verwundeter, den wir vom Fenster anrufen, meldet: „Wir sind um keinen Schritt noch zurück, aber es sind der Feinde zu viele, wenn nicht bald Hülfe kommt, sind wir verloren.“ Die Hülfe blieb aus! Gegen 3 Uhr knatterten zahllose volle, schnell aufeinander folgende Gewehrsalven, es ging offenbar zum Ende. Der preußische General v. Falkenstein war auf dem Schlachtfelde jetzt eingetroffen und hatte einen allgemeinen forcirten Sturmangriff gegen die bayerischen Stellungen angeordnet; dem Zündnadelmassenfeuer konnten auf 150 Schritte die Bayern nicht mehr Stand halten, sie zogen sich zurück; nur ein kleines Häufchen kämpfte noch verzweifelt am Niederthore, um den Rückzug zu decken. Letztere wurde theils außerhalb des oberen Thores über den Kruppsteeg, theils um die westliche Stadtmauer herum über die westliche Stadtmauer herum über die Saalbrücke gegen Gauaschach hin bewerkstelligt und von der Artillerie so wirksam gedeckt, daß die Preußen nicht nachrücken und keinen einzigen Gefangenen machen konnten. Nachdem der Uebergang über die Saale gesichert war, zog sich auch die Artillerie eiligst auf der Hundsfelder Straße, heftig von den Preußen beschossen, zurück. Es fiel hiebei ein Kanonier, welchen die braven Kameraden auf der Höhe inmitten der feindlichen Kugeln beerdigten, einige andere wurden verwundet.
Um 4 Uhr zogen die Preußen in Hammelburg ein; Pickelhaube an Pickelhaube war schnell das ganze Städtchen buchstäblich vollgepfropft.
Die Stadt wurde als erobert betrachtet und demgemäß behandelt. Bedeutende Contributionen wurden gefordert, doch bei der Unmöglichkeit der Leistung und, nachdem einige Magistratsmitglieder fast zu Tode gequält und geängstigt worden waren, größtentheils stillschweigend erlassen. Massenhafte Einquartierung erfolgte, und auf die Schrecken des Tages kam eine fast noch schrecklichere Nacht.
Das ausgebrochene Feuer war am andern Morgen noch nicht vollständig gedämpft. Zwar hatten die Preußen selbst nach ihrem Einzuge das Löschen in Angriff genommen, ließen aber, als sie nicht die gewünschte Unterstützung fanden, auch durch vielen Weingenuß berauscht wurden, bald in der Arbeit nach.

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