Napoleon hob den Frondienst auf.
Hammelburg klagt gegen das Königreich Bayern.
Jahrhunderte lang litten die Bauern unter den Frohndienstleistungen für ihre Herren. Mit Dekret vom 12. Dezember 1808 beseitigte Napoleon als «Inhaber und Besitzer» des Fürstentums Fulda die Leibeigenschaft. Am 30. April 1816 nahm der König von Bayern Besitz von den ehemals fuldischen Ämtern Hammelburg und Brückenau. Von diesem Zeitpunkt an gab es erbitterte Auseinandersetzungen um die Rechtmäßigkeit dieses Dekrets. Mit Urteilsspruch vom 30. Juli 1821 setzte das Königl. Bayer. Appellationsgericht diesem Streit ein Ende und erkannte zu Recht: «In der Sache der frohnpflichtigen Untertanen des königl. Landgerichtes Hammelburg gegen das königl. Rentamt daselbst resp. den königl. Fiskus, Frohnleistung und Besthauptentrichtung betr.: unteren Mainkreis:
1. Dass die Kläger von den in der Klage angegebenen und von ihnen neuerlich verlangten Frohnleistungen frey zu geben seyen.
2. Dass dieselben von der Entrichtung des Besthaupt mit Ausnahme derjenigen Besthaupter, welche auf den Kolonatgütern (diese waren an die Scholle gebunden, zur Abgabe und Dienstleistung verpflichtet, aber rechtsfähig) haften, wenn sie als Ausfluss der Leibeigenschaft bestehen, freizusprechen seyen. (Best-houbet war das beste Stück Vieh, das beim Tode des Leibeigenen seinem Herrn zufiel.)
3.Die Kosten zu vergleichen seyen".
In den 21 handgeschriebenen Seiten wird eine eingehende Begründung des Urteils gegeben: Unter A werden aufgezählt, die geschichtlichen Ereignisse der Jahre 1806 bis 1816, dem Jahre der Übergabe Hammelburgs aus österreichischer Oberhoheit an Bayern. Unter B wird vor allem die Rechtsmaßigkeit des napoleonischen Dekrets untersucht und befürwortet. „Obwohl nach dem Völkerrecht die Rechte der Neutralität verletzt wurden", (Prinz von Oranien, der Fürst Hammelburgs, hatte sich nicht am preussisch-napoleonischen Krieg beteiligt), hatte dies nach Ansicht des Gerichts „doch keinen Einfluß auf die staatsrechtliche Beurteilung der inneren Verhaltnisse des Fürstentums Fulda". Schließlich „war durch die Flucht des Prinzen von Oranien kein Inhaber der Staatsgewalt mehr vorhanden; es hörte aber nicht auf, als Staat zu bestehen. Die Staatsgewalt würde auf die Gesamtheit der Bewohner zurückgefallen sein. Da von ihnen die Gesetze, Verfügungen, Anordnungen des neuen Inhabers Napoleon befolgt wurden, wurde er der rechtmäßige Herrscher des Fürstentums. Ob das aus freiem Willen oder durch die Gewalt der Umstände geschehen ist, dafür waren sie nicht verantwortlich." In Punkt C geht das Gericht nochmals naher auf die Artikel des Dekrets ein. Die Kläger, die ehemals Frohnpflichtigen, erklärten, „sie hätten sich bis jetzt im Stande der völligen Freiheit befunden. Nun sollten sie wieder Mistfuhr- und nach Saaleck Holzfuhrfrohnen leisten, das Getreide schneiden sowie die Weinberge ablesen und u.a.m." Sie seien von den angegebenen Frohnleistungen dieser Bitte gemäß, wie geschehen ist, zu erkennen. Der Kostenvergleich wird so begründet, daß die Rechtsverhaltnisse doch nicht so klar vorlagen.
Quelle: Gerichtsurteil des königl. bayr. Appellationsgerichtes Würzburg.
F. Warmuth.