Aus dem bisher Gesagten geht zur Genüge hervor, daß Hammelburg zu damaliger Zeit schon ein bedeutender Ort und als Stadt bekannt war (fui Hammelburgum appidi specie non ignotum, wie Brower schreibt); allein zur eigentlichen Stat wurde es doch erst später erhoben.
Im Jahre 1121 wurde die steinerne Brücke über die Saale erbaut, worauf die ursprünglichen Ansiedlungen in der Nähe des Schlosses Saaleck (alte Stadt, Altstadt)9 allmälig verschwanden und das heutige Hammelburg am rechten Saalufer entstand 10.
Bald nun wurde die Stadt der Zankapfel zwischen den Aebten von Fulda und den Bischöfen von Würzburg.
Die Streitigkeiten zwischen diesen benachbarten geistlichen Fürsten währten mehrere Jahrhunderte hindurch. Schon im J 1049 fand eine Kirchenversammlung in Mainz statt, welcher auch Papst Leo beiwohnte, und wobei der zum erstenmale zwischen Fuld und Würzburg wegen der bischöflichen Gerechtsame über das Kloster Fuld entstandenen Streit zu Gunsten des letzteren Klosters entschieden wurde, indem ihm seine bisherige Befreiung zugestanden wurde. Kurz darauf (1069) ermahnte der Papst Alexander II. den Bischof Adalbert von Würzburg von seinen ungerechten Angriffen auf Fuld abzustehen.
Dießmal war die Befestigung Hammelburgs der Stein des Anstoßes, nachdem die im J. 1230 über das Hutrecht am Dammersfeld auf der Rhön entstandenen Streitigkeiten durch Vergleich vom 12. Febr. 1231 beigelegt waren.
Die faldaischen Fürstäbte, welche zu hoher Macht und großem Ansehen gelangt waren, versäumten in diesem Zeitraume allgemeiner Befehdung es nicht, zur Vertheidigung des Stiftes, theils wider innerer Gegner, theils wider den Anfall auswärtiger Feinde, einzelne Burgen und auch ganze Orte zu befestigen. Die Vorsteher der fuldischen Kirche verstanden es auch wohl, den Hirtenstab zeitweise mit dem Degen zu vertauschen; wir sehen sie nicht allei9n den Kaisern und Königen mit gerüsteten Heereshaufen folgen, sondern auch mit Muth und Tapferkeit gegen benachbarte Feinde zu Felde ziehen und als Sieger triumphiren. Ein solch‘ ritterlicher Abt war Konrad III., welcher von 1221 bis 1247 regierte. Er beschloß sofort, die Stadt Hammelburg, welche zwischen Fulda und Würzburg in der Mitte liegt und unmittelbar an das Würzburgische Gebiet grenzte, zu befestigen und hiermit nicht alleine eine nachdrückliche Abwehr gegen die fortwährenden Neckereien der Würzburger Bischöfe zu schaffen, sondern auch die Hauptstadt Fulda selbst zu schützen, „wie ein erfahrener Baumeister vor seine fest und tüchtig begründete Brücke zur Abwehr des tobenden Winterstromes starke Eisbrecher setzt und einfügt“.
Zwar hatte Abt Konrad mit dem Bischofe Herrmann im J. 1232 einen nachbarschaftlichen Vertrag zur gemeinsamen Abwehr des immer kühner und widerspenstiger werdenden Adels abgeschlossen, alleine dieß hinderte nicht, daß sich die Kirchenfürsten bald selbst in die Haare geriethen. Kaum hatte nämlich der Würzburge Bischof von der Befestigung Hammelburgs vernommen, so veranlaßte er die nächsten fränkischen Ritter, seine Vasallen, die rasch vorschreitenden Arbeiten, „des Krieges wachsenden Abhalt“ mit gewaffneter Hand zu zerstören. Allein die Werkleute fanden kräftigen Beistand in den Hammelburger Bürgern und schlugen mit diesen die Franken zurück 11.
Da nun das Befestigungswerk immer weiter vorschritt, beschloß Bischof Hermann am J 1242 Hammelburg zu nehmen, und fiel in das fuldaische Gebiet ein. Abt Konrad bot sofort seine nächsten Vasallen und Dienstleute zu einem eiligen Zuge gegen Hammelburg auf und zog mit 900 Panzerreutern und einer großen Menge Fußvolkes bem Bischofe entgegen. Bei Thulba kam es zum Treffen, in welchem Bischof Hermann mit Verlust vieler Todten und Gefangenen vollständig geschlagen und bis Neustadt verfolgt wurde; da er diesen Ort aber für zu wenig be- festigt hielt, eilte er in die Hauptstadt zurück. Konrad drang immer tiefer ind das Bisthum Würzburg ein und kam bis Roth, wo er „als Zeichen freien Schaltens im Feindesland“ einen Teich abstechen und die Fische unter seinen Leute vertheilen ließ. Er gab den Entschluß kund, bis zur Hauptstadt des Bisthums vorzudringen, und die Würzburger, welche ihren geschlagenen Bischof hinter den dMauern der Stadt Schutz suchen sahen, bangten bereits vor einer Belagerung des unternehmenden Abtes.
Da schlug sich Heinrich, Graf von Henneberg, welcher des Stiftes Vogt war, in’s Mittel. Er kam in das Lager des Abtes und brachte es durch freundliche Worte und gütliche Vorschläge dahin, daß der Abt die weiteren Feindseligkeiten einstellte und unter der Bedingung, die Mauern um Hammelburg ruhig bauen und vollenden zu dürfen, den Frieden gab.
Siegreich zog Konrad in Fulda ein12 und las über dem geschmückten Thore der Abtsburg die preisenden Worte:
Abbas Conradus de Malcoz nomine dictus
Hamlburg circumdat muris et moenia fundat.
Der Klosterchronist gibt diese Inschrift in deutscher Übersetzung:
„Als man zähl zwölf Hundert zwanzig und ein
Ward Hammelburg ummauert mit Stein,
Unter Abt Malchoz genannt,
Im römischen Reich sehr wohl bekannt.“
In Hammelburg wurde nun an den Mauern und Thürmen fleißig forgearbeitet, zugleich aber auch scharfe Wacht gegen den ränkesüchtigen Würzburger Bischof gehalten. Nur zu bald bewahrheitete sich die Befürchtung, der Bischof werde die empfindliche Niederlage zu rächen suchen, den es kam von Hammelburg die Nachricht über kriegerische Bewegung der fränkischen Vasallen nach Fulda und plötzlich verbreitete sich auch die Botschaft, der Bischof von Würzburg komme mit starker Macht über die Rhön gezogen und dringe in Eilmärschen geben Fulda. Vor. Es war dieß um Ostern des Jahres 1246. Im Gefolge des Bischofs waren die Haufen des Wolfram Zufraß von Ostheim, Reginhard von Wechmar, Werner Trott von Salza, Hegmerod von Salzburg, Konrad von Trimberg, Spiegel von Pickelheim, Wolfgang von Guttenberg, Hartmod von Hutten, Friedrich von Hausen und Andere. Sie lagerten sich um Fulda, da sie die Stadt nicht überrumpeln konnten, und verwüsteten die Gegend. Wieder sammelte Abt Konrad eiligtst seine Mannen, zog durch das vom Feinde nicht umzingelte Paulsthor Verstärkung an sich und stürmte mit seinen Getreuen in früher Morgendämmerung durch das Johannisthor dem Feind entgegen. Zwar bäumte sich mitten im Thor der wilde Rappe des Abtes und warf den gepanzerten Fürsten ab, so daß mit dem Rufe „der Abt ist todt“ Schrecken und Verwirrung entstand, aber ein treuer Ritter, Konrad genannt, erhob hoch die Fahne des hl Binifaz und feuerte, mit gewaltiger Stimme rufend: „mir nach, im Namen des hl Patrons!“, die Schaar zu neuem Muthe an.
„Wie Hagel wetterten die Hiebe der erzürnten Buchonier über die überraschten Franken; sie wurden total geschlagen und nach allen Winden zerstreut.“
Fortan wurde die Befestigung Hammelburgs nicht mehr gestört, und unter dem thatenreichen Abte Heinrich IV. (1256 – 1260) wurde die Stadt noch besonders mit einem neuen Walle und mit graben befestigt und umgeben. Die Anlage und Ausführung der Befestigung ist heute noch in der Hauptsache, nämlich in einer hohen die ganze Stadt umgebenden Mauer, durch welche die Thore, das obere von Osten her, das Niederthor von Norden und das Weihersthor von Westen führen, unverändert erhalten; dagegen ist die äußere, schwächere und niedrigere Mauer theilweise abgebrochen, auch der Wallgraben geebnet. Zwischen den einzelnen Thoren waren runde, die Hauptmauern weit überragende Thürme angebracht, so zwischen dem Ober- und Niederthore der Faulthurm, welcher unter dem Dache eine steinerne in Zinnen auslaufende Umbrüstung hatte, dann ebendaselbst der Rennthurm, zwischen dem Nieder- und Weihersthore der Mühlthurm und zwischen dem Weihers- und Oberthor der Münchthurm, dieselben sind mit Ausnahme des Mühlthurmes noch vorhanden.
Die Aufbauten der Stadtmauer zwischen dem Oberthoren und Münchthurme – Ober-Neuhaus – und zwischen dem Faulthurm und Rennthurm – Wächtershütte – sind späteren Ursprungs; ebenso das häßliche, thurmähnliche Gebäude in der Nähe der Pfarrkirche.
Die Thore mir den aufgebauten Wohnungen sind nach dem Brande beseitigt, und an ihre Stelle ist eine freie schöne Einfahrt, zu beiden Seiten mit Steinpfeilern abgeschlossen, hergestellt worden.
War auf diese Weise Hammelburg äußerlich eine Stadt geworden, so sollte es auch bald die Rechte und Vortheile deiner solchen erhalten.
Kaiser Albrecht I. verlieh im J. 1303 nach einer zu Würzburg am 1. August gegebenen Urkunde – abgedruckt bei Schannat, Buchonie vetus pag. 425 – der Stadt viele Freiheiten, einen förmlichen Magistrat mit eigenem Siegel und namentlich alle Rechte der freien Reichsstadt Geylnhausen (Gelnhausen).