Hammelburger Geschichte(n)

Abt Sturmius wurde mit allen Feierlichkeiten in den Besitz der reichen Schenkung gesetzt. Und um künftigen Streitigkeiten, sowie nachbarlichen Irrungen über den Umfang der Schenkung vorzubeugen, ließ Karl dieselbe im Herbst des Jahres 777 durch die Gaugrafen Nidhart und Heimo, sowie die kaiserlichen Hofbeamten Finnold und Gunthram in Gegenwart von 21 geschworenen Zeugen genau begrenzen und ummarken.
Die Zeugen waren: Hruodmunt (Rothmund), Fastolf, Uerant, Unigant (Wiegand), Sigibot, Snuidberah, Sigo, Hamar, Suuidger, Elting, Egiheim, Gernuig, Attumar, Bruning (Breunig), Engilberath (Engelbreit) Leidrat, Siginand, Adalman (Adelmann), Amalberaht, Lantfried und Eggiolt. Die hierüber dem Abte Sturmius am 8. Oktober 777 ausgefertigte Urkunde (abgedruckt bei Dronke cit. Nr. 60) bietet das früheste Beispiel der Anwendung der deutschen Sprache in fränkischen Diplomen und hat deßhalb eine hohe geschichtliche Bedeutung.
Aus diesem Diplome ist zu ersehen, daß die Grenzen nach damaligem Gebrauche meistens nach Bergen, Thälern, Flüssen u. s. w. beschrieben sind; die Namen der hier berührten Stücke sind aber heute größtentheils unbekannt und kann etwa nur das eine oder andere errathen werden 5. Hammelburg war zur Zeit Karls des Großen jedenfalls schon ein sehr ansehnlicher Ort.
Es waren dort 44 Familien, d. h. edle Männer, urfreibürtige Herren, Adelige, welche nach dem Ausdrucke von damaliger Zeit in die edelste Familie des hl. Bonifazius aufgenommen waren, und 4 freie Hofbesitzer; es bestanden 20 Herrschaftsgüter, welche zur Fuldischen Kirche unmittelbar gehörten, 200 Huben, d. h. Strecken gebautern oder baubaren Feldes, 1011 Joche Feldes d. h. Strecken, welche von 2 Ochsen in einem Tage umgepflügt werden konnten, Wiesen zu 400 Morgen und 8 Weinberge.
Ferner lebten in H. 11 Frohndebauern, welche jährlich eine gewissen Anzahl Ackerfelder nach gemessenen Tagesstunden bearbeiten mußten, und nur der Gerichtsbarkeit des Grundherrn unterworden, 120 Zinsbauern, ein Mittelding zwischen freien Leuten und Frohndebauern, welche für Genuß des Nutzbareigenthums Sack- und andere Zinsen an das Kloster Fuld entrichten mußten, 200 Knechte, welche thun mußten, was man ihnen hieß, und namentlich nebst Handfrohnen auch eine gewisse Zahl und ein bestimmtes Maaß von Früchten, wollenen Tüchern, Stücke Eisen, mit Honig gefüllte Häfen, einfache und doppelte Bettdecken, Rindsleder, Bockshäute, Widder, gemästete Schweine, Schaafe, Hühner, Milch, Käse und was sonst noch zur Klosterökonomie dienlich war, abliefern mußten. Auch Weiber und Mädchen waren von letzteren Abgaben nicht frei, sie waren vielmehr verbunden, entweder aus eigenem oder herrschaftlichen Leinen ganze Stücke Tücher, dann auch verfertigte Leibchen, Hand- und Tischtücher und andere Tucharbeiten zu liefern.
Nebst diesen verschiedenen Arten des Grundeingenthums und der Bewohner werden auch die vorhandenen Viehstücke angegeben, nämlich: 58 Ackerstiere und 30 schwere Ochsen, 140 Schweine, 500 Schaafe ec.
Fuldaische Geschichtschreiber überliefern einen weiteren Beweis von der damaligen Bedeutung Hammelburgs.
Während Karl der Große seine Eroberungen in Spanien ausdehnte, hatten sich die besiegten Sachsen unter Anführung Witekinds wieder empört und waren bereits nach Hessen bis Fritzlar gedrungen, wobei sie auf dem Wege die christlichen Tempel zerstörten und die Christen mit unmenschlicher Grausamkeit ermordeten. Hiedurch war auch die Fuldische Kirche bedroht, und es beschloß deßhalt Abt Sturmius nach erholtem Rathe seiner Getreuen, den Leichnam des hl. Bonifazius in Sicherheit zu bringen, und, so lange das Kriegswetter dauern würde, in Hammelburg zu bergen. Es war dies im J. 778.
Als daher der Leichnam des Martyrers aus dem Grabe gehoben war, machten sich die Mönche mit solchem auf den Weg, kamen aber den ersten Tag bloß bis an den Ort, wo der Bach Flieden in die Fulda sich ergießt (Bronnzell) und am zweiten Tage, indem die hochtreibende angeschwollene Sinn passirt wurde, bis Brückenau. Hier wurde vier Tage unter freiem Himmel bei aufgerichteten Zelten gerastet und während dieser Zeit brachte ein Bote die Nachricht, daß die Sachsen von Karl dem Großen, welcher aus Spanien herbeigeilt war, in die Flucht geschlagen seien. Die Reliquien wurden deßhalb zurückgebracht. Wenige Jahre danach sieht Hammelburg den großen Karl selbst in seiner Mitte. Derselbe war, wie der Chronist Eginhart, ein Zeitgenosse und Geheimschreiber Karls berichtet, im Jahre 790 zu Worms, um die Gesandtschaft der Hunnen dort zu empfangen und sich mit diesem Volke über die Gränzen des fränkischen und hunnischen Reiches zu vergleichen. Von Worms bis nach der Salzburg, dem Lieblingsaufenthalte Karls des Großen, wurde die Reise zu Wasser, nämlich auf dem Maine und der Saale gemacht 5.
Als durch Addo, Priester des fuldaischen Abtes Raban, anno 836 im Auftrag des Letzteren die Gebeine des heil. Benantius aus Italien abgeholt und nach Fulda gebracht wurden, kam der Zug, der überall unter großem Zudrange der Gläubigen gegrüßt wurde, auch durch Hammelburg.
Ein Zeitgenosse, der fuldaische Mönch Rudolphus, berichtet darüber, in seinem Buche über das Leben des Abtes Rabanus (de reliquiis sanctorum) Folgendes:
Als sich der Zug der Stadt Hamalunburgh (oberhalb der Saale gelegen) genähert hatte, begegneten ihm mit Kerzen und Kreuzen die Mönche des Klosters Wolfsmünster7 und mit ihnen eine ungeheure Menge Männer und Frauen, welche von verschiedenen Orten zusammengeströmt waren. Unter diesen war auch ein Lahmer aus der Stadt H., welcher nur auf zwei Krücken einher gehen konnte; dieser wurde, während der Zug kurze Zeit Halt machte, damit das christliche Volk die hl. Gebeine verehre, im Angesichte der ganzen Menge durch die Verdienste des hl. Martyrers so vollständig geheilt, daß er fortan seiner Stützen zum Gehen nicht mehr bedurfte. Im weiteren Fortbewegen kam der Zug an den Fluß (die Saale), wo der Abt mit den Priestern und Mönchen, sowie einer unzähligen Menge Volkes am anderen Flußufer standen. Es war zwar ein Schiff im Flusse bereit gestellt, jedoch nicht an der rechten Stelle, indem die Wallfahrer viel weiter oberhalb des Flusses am Ufer angekommen waren. Als sich nun die Schiffer erhaltenem Befehle gemäß beeilten, entgegenzusteuern und das Tau lösten, entglitt es ihren Händen, worauf das Schiff gegen den Strom von selbst entgegenkam und sich an der Stelle, wo die hl. Reliequien harrten, an’s Ufer legte.
Nachdem die Reliquien übergesetzt waren, wurde unter freiem Himmel auf der Wiese eine Messe celebrirt, und als hierauf in der Kirche der Stadt die Reliquien zur Verehrung ausgesetzt wurden, ist ein Weib, welches so contract war, daß es nicht aufrecht gegen Himmel sehen konnte, vor Aller Augen durch göttliche Grande von ihren vieljährigen Leiden augenblicklich befreit worden.
Am andern Tage ging der Zug bis Leichtersbach (Littoluhesbah).
Im folgenden Jahrhundert ist Hammelburg mit der Geschichte des Kaisers Otto I. des Großen verknüpft. Der jungere Bruder des Kaisers nämlich, Heinrich, hatte sich gegen den Kaiser empört und im Bunde mit dem unruhigen fränkischen Herzoge Eberhart, ferner mit Giselbert von Lothringen, welchen sich auch König Ludwig IV. von Frankreich anschloß, eine Empörung angezettelt. Auf Seite des Kaisers standen der schwäbische Graf Udo und der fränkische Konrad (Kurzbold), welche in zwei Schlachten bei Biert im Clevischen und bei Andernach (939) die Aufrührer besiegten. Der fränkische Herzog Eberhard blieb auf der Wahlstatt und Geselbert fand auf der Flucht seinen Tod in den Wellen des Rheins. Durch den Tod der beiden Fürsten war nun zwar der Aufstand gebrochen, und Heinrich erhielt sogar vom Kaiser nicht nur volle Begnadigung, sondern  wurde sogar von ihm zum Herzoge von Lothringen ernannt. Als derselbe abe dort übel regierte und, allgemein gehaßt und vertrieben, von Otto nicht wieder in seine Würden eingesetzt wurde, brütete er auf’s Neue Rache und wußte sogar den Erzbischof Friedrich von Mainz, Giselberts Bruder, für seine scheußlichen Plane zu gewinnen. Das Osterfest des Jahres 941, an welchem Otto in Quedlinburg die Kirchenfeier begehen wollte, war von der Verschworenen zur Ermordung des Kaisers ausersehen. Das Geheimniß war aber dem Kaiser verrathen; er war deshalb vorsichtig und machte während des Festes jede Annäherung unmöglich, indem er sich stets mit treuen Freunden umgab. Kaum war nun das Fest beendigt, so wurden die Verschworenen von den Mannen des Königs ergriffen, der Gerechtigkeit übergeben und hingerichtet. Nur Erzbischof Friedrich blieb durch sein Priesterkleid geschützt; Otto gestattete ihm, sich durch einen Eid von der Schuld zu reinigen, glaubte aber hinterher dem Eide nicht und schickte den Erzbischof in Gewahrsam an den Abt Hathemar von Fulda, welcher ihn in Hammelburg einsperrte. Nach einen Jahre wurde er aus kaiserlicher Gnade wieder losgelassen8.

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