Friedrich und Anton Schnack
Wenn sich die Heimatblätter die Aufgabe stellen, wesentliche Begebenheiten aus einer wechselvollen Vergangenheit und einer bewegten Gegenwart - vor allem auf kulturellem Gebiet - festzuhalten, dann ist es nicht mehr als billig, sich der beiden Brüder Schnack zu errinnern, die - neben Leo Weismantel mit seiner Geschichte des Hauses Herkomer - unsere engere Heimat in die Literatur eingeführt haben. Ausserdem sollen diese Worte des Gedenkens ein Geburtstagsgruß sein für Friedrich, den älteren der Brüder, der am 5. März sein 65. Lebensjahr vollendete.
Es sind zwar die beiden nicht im wirklichen Sinne „Hammelburger", denn ihr Geburtsort ist Rieneck, aber vor dem ersten Weltkrieg haben sie die Jahre ihrer Jugend in unserer kleinen Stadt verlebt. (Ihr Vater ruht auf dem Friedhof.) In der bescheidenen Enge dieser Welt, angefüllt mit den erregenden Abenteuern ihrer Knabenzeit, sind sie aufgewachsen: Hier, inmitten der Wälder und Weinberge, am Fluß mit den weiten Wiesen, mit den Rätseln seines Schilfgestrüpps und der alten Brücke mit dem »heimlichen Gemach« darin, hier haben sie nachhaltige Eindrücke für ihr späteres Werk empfangen.
Aber nicht nur als Heimatdichter dürfen wir sie ansehen, die Land und Leute der Heimat in den Mittelpunkt ihrer Dichtung gestellt hätten, im Gegenteil! Waren schon ihre Knabenträume angefüllt mit den Wundern einer fernen Welt, in denen die gute, alte Saale zum Amazonas und der Buchenhain zum brasilianischen Urwald wurde, so greifen sie dann in . ihrer Dichtung über den Dorfbrunnen und die winkelige Gasse hinaus, um den ganzen Erdball herum, ob nun Friedrich aus eigener Anschauung von der Wunderpracht der Insel Madagaskar oder Anton Geschichten von Seeräubern vor der Küste Südamerikas erzählt. Da fällt uns ein Zug an ihnen auf, den sie gemeinsam haben: Wie sie sich in der Geborgenheit der Heimat verzehren nach der Ferne und am lockenden Ziel beinahe sterben vor Heimweh.
Auch vom Dichterischen her gesehen ist das Werk der beiden Brüder nicht nur gefühlvolle Heimatdichtung. Er ist vielmehr hohe Sprachkunst, die einen aufgeschlossenen Leser erfordert, die sich nicht laut aufzudrängen sucht und nicht die Werbetrommel schlägt. Die Brüder gehören zu den Stillen im Lande; wer Spannung, dramatisch bewegte Handlung sucht, wird nicht auf seine Rechnung kommen. Auch ohne Ihre Gedichte, besonders Friedrichs neubearbeitete »Lebensjahre«, würden wir aus ihren Prosaschriften erkennen, daß bei beiden das lyrische Grundelement vorherrscht. Im Prosaschrifttum zeigt sich deutlich, was beide unterscheidet. Während Friedrich Verfasser einer ganzen Reihe von größeren Romanen ist, (Sebastian im Wald, Orgel des Himmels, Beatus und Sabine, Zauberauto, Waldkind, Goldgräber in Franken u. a.) beschränkt sich Anton auf die kleinere, zwanglose Form der Skizze, Betrachtung, des Briefes, Tagebuchblattes, wie er sie zusammengefaßt hat in der »Angel des Robinson« (der früheren »Bunten Hauspostille«), im »Fränkischen Jahr« u. a. m. Bei beiden taucht immer wieder das Land der Kindheit auf, bei Anton von Schwermut und Trauer um das Verlorene überschattet, bei Friedrich in heiteres Sonnenlicht getaucht. Es zeigt beide als echte Nachfahren der Romantik.
Friedrich hat uns noch ein besonderes Kleinod geschenkt: Im Buch von seinen geliebten Schmetterlingen erzählt er in einmalig geschliffener Form vom Wunder ihrer Farben und von dem aufregenden Abenteuer des kilometerweiten Fluges eines Nachtfalters. In diese Reihe gehören noch drei Bücher: »Der glückselige Gärtner«, »Sybille und die Feldblumen« und »Cornelia und die Heilkräuter«, in denen Beobachtungsgabe, liebevolles Versenken auch in kleine, unscheinbare Dinge sieghafte Form finden.
So stehen die beiden Brüder vor uns. Mag der Strom des Lebens sie auch weit in die Welt hinausgetragen haben, stets blieben sie verwurzelt mit der mütterlichen Erde ihres Heimatbodens, aus dem sie sich die Kraft holten für ihr dichterisches Werk. Wir aber dürfen froh und stolz sein, sie als »unsere« Heimatdichter grüßen zu können.
Esch.