Seit dem Herbst 1944 neigte sich der 2. Weltkrieg merklich dem Ende zu. Die Alliierten hatten, nachdem die Vereinigten Staaten in den Krieg eingetreten waren und eine gewaltige Aufrüstung vollzogen hatten, mehr und mehr die Luftüberlegenheit gewonnen und bombardierten schonungslos das deutsche Hinterland. Auch hier in Hammelburg häuften sich die Luftalarme und trieben die Einwohner immer öfter in die Luftschutzkeller. Vielfach befürchtete man einen Luftangriff auf das Lager, wobei gewiß auch die Stadt einen Teil abbekommen hätte. Doch kam es nicht dazu. Der Umstand, daß das Lager in der Hauptsache nur als Unterkunft für Gefangene diente, hat wohl einen Angriff verhindert. Gefürchtet waren gegen Kriegsende die meist unvermutet und überraschend schnell auftauchenden Tiefflieger, die wahllos alles beschossen: Ortschaften, Bahnhöfe, Eisenbahnzüge, abseits stehende Gebäude, Autos und Fuhrwerke auf den Straßen, pflügende Bauern, sogar einzelne Personen auf freiem Felde.
8.9.44: Mittags und nachmittags Fliegeralarm. Das Lager wurde mit Bordwaffen beschossen und dabei J. B. Seuffert aus Hammelburg, Kraftfahrer bei der Heeresverwaltung, tödlich verwundet.
9. 0.44: 14 Uhr Fliegeralarm. Große Geschwader von Bombenfliegern zogen über Hammelburg hinweg unbehelligt nach Osten, Angriff auf das an Rüstungswerken reiche Schweinfurt. Bald waren von dorther Explosionen hörbar. Klosterannalen: „Die begleitenden Erschütterungen waren oft so stark, daß sie sich auch in unserer Gegend bemerkbar machten. Im Kloster wackelten Fenster, Türen und Möbel, die Gebäude zitterten".
15.10.44: Gegen 10 Uhr Fliegeralarm, von Westen her Tieffliegersalven hörbar. Um diese Zeit wurden in der Stadt zur Erhöhung der Sicherheit nächtliche Wachgänge eingerichtet. Je zwei Männer hatten abwechselnd zweistündige Wachgänge in bestimmten Stadtteilen zu machen. Es waren freilich nur ältere oder invalide Leute verfügbar.
11.12.44: Gegen Mittag bei dauerndem Alarm starker Lärm und Poltern aus verschiedenen Richtungen. Zum Teil kam dies wohl von der näherrückenden Westfront am Rhein und Main. So hatte man auch 1916 das Schlachtgetöse von Verdun auf den umliegenden Höhen bei Westwind hören können.
15.12.44: Um 18.45 Uhr heftige Bombenexplosionen im Westen. Man vermutete Angriff auf Ludwigshafen. Lampen zitterten, Uhren blieben stehen.
Die Weihnachtszeit und das Jahresende gingen unter dauernden Alarmen und von Westen her hörbarem Kampflärm doch leidlich vorbei.
1945
Auch die ersten Wochen des neuen Jahres verliefen verhältnismäßig ruhig. Nur wurde der Bahnverkehr immer mehr durch Fliegerbeschuß gefährdet. Schon begannen einzelne Züge entweder auf der Strecke liegen zu bleiben oder ganz auszufallen. Der März brachte meist mildes, trockenes, windstilles Wetter, das für Luftangriffe gut geeignet war. Wie schön war es sonst um diese Zeit draußen in der wiedererwachenden Natur gewesen. Nun aber war jeder Aufenthalt im Freien gefährlich, stets mußte man auf rechtzeitige Deckung bedacht sein, wenn es auch nur ein kleiner, noch blattloser Strauch war.
16.3.45: Heute war die Fliegertätigkeit den ganzen Tag über besonders rege. Um 22 Uhr ertönte plötzlich etwa 30 Minuten lang heftiges Bombenkrachen von Süden. Der Boden zitterte, gewaltige Feuerrote stieg alsbald am Südhimmel über dem Lagerberg empor und hielt stundenlang an: Würzburg sank in Schutt und Asche!
17.3.45: Der Abendzug von Kissingen her wurde von Tieffliegern angegriffen und hielt deshalb schon im tiefen Einschnitt vor der Winzerhalle, wo die Reisenden ausstiegen. — Nachdem schon tagsüber Gerüchte über die gestrige Zerstörung Würzburgs umgegangen waren, kamen abends die ersten Ausgebombten von dort, teilweise zu Fuß, mit ihrer geretteten Habe in Koffern und Rucksäcken. Manche machten noch einen ganz verstörten Eindruck.
19.3.45: Der Kriegslärm von Westen her wurde immer lauter, um Aschaffenburg und Umgebung würde gekämpft, man fühlte die sich immer mehr nähernde Gefahr. — Und wie sah es in dieser Zeit in den Schulen aus? Studiendirektor Philipp berichtet: „Nur die ersten Stunden verliefen meist ungestört, später wurde es immer schlimmer. Die Schüler begaben sich bei Alarm in den Luftschutzkeller des Rathauses, jedoch später wurden sie bei Luftwarnung nach Hause geschickt, um eine größere Ansammlung im Schutzraum zu vermeiden. Die zahlreichen Fahrschüler, die in der Frühe von auswärts mit der Bahn, mit Fahrrädern oder zu Fuß in die Stadt gekommen waren, mußten eben sehen, wie sie wieder heim kamen.
25.3.45: Palmsonntag. Die Osterzeit begann, aber wer fand Muße zu innerer Sammlung? — Heute fast den ganzen Tag heulte die Sirene vom Rathaus, meist war man auf dem Weg zum oder vom Keller. Aufregende Gerüchte über das bevorstehende Anrücken der Amerikaner gingen um.
16.3.45: Heute gab es keinen Zugverkehr mehr. Die Oberschule schloß ihren Betrieb. Allgemein herrschte ratlose Verwirrung. Packen? Flucht? Aber wohin? Alles bangte vor dem, bevorstehenden Durchzug des Kriegswetters.