Hammelburger Geschichte(n)

Nun nahte auch der altvertrauten Saalebrücke in Hammelburg das Ende, über 800 Jahre lang, 1121 war sie erbaut worden, hatte dieses wuchtige Bauwerk den Übergang über den Fluß vermittelt, ein Wahrzeichen der Stadt (Abb. Kunstdenkmäler S. 89 und im Anhang). In Kriegs- und Friedenszeiten hatte sie ihre Aufgabe erfüllt, kein Hochwasser, kein Eisgang hatte sie bezwungen, aber nun war ihre Zeit abgelaufen. Die Brücke enthielt in ihrem ersten Pfeiler (von der Stadt her) eine Kammer unbekannten Zweckes. Der Eingang dazu war durch ein von der Brüstung außen niederführendes Treppchen zu erreichen. Diese Kammer war wie geschaffen für die Aufnahme der Sprengkörper. Ein Sprengkommando der Wehrmacht befand sich seit dem 5. April in der Stadt (einquartiert bei Schreinermeister Schmidt). Die Sprengkörper lagerten im Neubau des Progymnasiums. Ihre gesamte Sprengkraft war so groß, daß bei voller Verwendung schwere Schäden für die ganze Umgebung der Brücke befürchtet wurden. Der Volkssturm verhielt sich auch jetzt größtenteils ablehnend. Einem der Volkssturmmänner, Bundesbahnangestellten Franz Weiß, wäre eine freimütige Äußerung über das Vorhaben beinahe übel bekommen. Nach Anzeige wurde er vor ein im Haus von Spenglermeister R. Schreiner am Marktplatz untergebrachtes ziemlich formloses Standgericht gestellt, kam jedoch mit einer von ihm dann bestandenen Bewährungsprobe davon. 1. Bürgermeister Clement wurde während der Vorbereitungen zur Sprengung von Frau Hepperlin zu Hilfe ge­rufen. Sie berichtete: „Ich traf Clement in seinem Amtszimmer im Rathaus  Auf meine Bitte, etwas zur Rettung der Brücke zu tun, erwiderte er zunächst, er könne nichts machen, dort drinnen (er deutete auf ein Nebenzimmer) sitzt der Mann, der entscheidet". Durch die halboffene Türe erblickte ich einen Hauptmann der Wehrmacht. Der sah aber so drein, daß ich mich gar nicht hinein wagte. Er hatte einen Trupp von 10 bis 12 Soldaten bei sich." Clement begab sich dann aber doch zur Brücke. „Dort hatte ich", so erzählte er, „mit einem Obersten der Wehrmacht, dem ich mich als Bürgermeister der Stadt vorstellte, eine Auseinandersetzung und erklärte, es sei unsinnig, die Brücke zu sprengen, da die Amerikaner trotzdem über den Fluß kämen.
Der Oberst wies mich barsch ab und drohte mit Meldung. So mußte ich unverrichteter Dinge abziehen." Inzwischen gelang es aber Volkssturmmännern und Zivilisten einen Teil der Sprengkörper wegzufahren. Sattlermeister Gößmann erzählte: „In einem unbewachten Augenblick entfernten wir eine Anzahl der Sprengkörper, fuhren sie mit einem Bulldog zum Keller an der Einmündung des Liebenthalweges in die Lagerstraße und warfen sie dort in den Straßengraben." Jedoch der Hauptteil wurde in die Brückenkammer eingebracht und kurz vor 18 Uhr entzündet. Ein dumpfes Krachen folgte, Steinbrocken und Schutt wirbelten hoch empor und flogen weithin. Ein Teil des Warmhauses der ziemlich weit entfernten Gärtnerei Hurrlein wurde zertrümmert, doch im ganzen waren die in der Nachbarschaft angerichteten Schäden sonst gering. Die ersten 2 Bögen der Brücke und ein Teil des dritten versanken in den Wellen der Saale. Desgleichen stürzten die beiden Standbilder auf der Brüstung (flußaufwärts) ins Wasser: die Sandsteinfigur der Hl. Maria von 1711, die über dem 1. Pfeiler (von der Stadt her) unmittelbar über der Sprengkammer stand, mitsamt ihrem eine lateinische Inschrift tragenden Sockel, ebenso die Sandsteinfigur des Hl. Johannes Nepomuk von 1746 über dem nächsten Pfeiler. Von dieser letzteren Figur hat sich bis heute (März 1964) keine Spur mehr gefunden, zumal sich auch das Saalebett hier durch die hineingestürzten Steine und Schuttmassen erhöht hat. Der Sockel der Johannesfigur trug die schöne Inschrift:

Qui custodit Linquam suam custodit animam suam
(Wer seine Zunge hütet, hütet seine Seele)

Waß Kränkt des Nächsten Ehr
Dein Mund Verschweige
Sein Lob und gutß Vielmehr
Der weld an Zeige
So wird ein gleicheß Dir
Zum Trost geschehen
Frid Lieb und Einigkeit
wird so bestehen.

Posuit I. B. Voith cellarius MDCCXLVI
(Amtskeller I. B. Voith hat es aufstellen lassen 1746).

Das Standbild war ganz ähnlich dem, welches 10 Jahre später auf dem Marktplatz beim Renaissancebrunnen von J. J. Faulstich aufgestellt wurde und jetzt im Gärtchen hinter dem Bürgerspital steht.

Ein günstigeres Geschick waltete über dem Marienbild. Der abgebrochene Kopf fiel nahebei ins Ufergras und wurde bald nachher gefunden und in Sicherheit gebracht. Der Rumpf kam in das seichtere Wasser am Saaleufer zu liegen und dort fand und barg ihn Gärtnereibesitzer L. Schlereth, damals 1. Bürgermeister, im August 1945 nach längerem Suchen. Das ganze Kunstwerk ist später gründlich restauriert und nach Erbauung der neuen Brücke an deren Eingang von der Stadt her aufgestellt worden. Das Sandsteinkreuz endlich von 1682, das vor der Sprengung am Brückenbeginn beim „Schmalsgarten" stand, hat 1956 jenseits des Flusses bei der alten Linde einen neuen Platz gefunden.

Die Amerikaner, welche die Verbindung der am 7. April besetzten Stadt mit dem gleichfalls besetzten Lager nicht entbehren konnten, machten sich schon am 8. April daran, das gesprengte Mittelstück der Brücke durch einen hölzeren Notbau zu ersetzen und so die Brückenbahn wieder befahrbar zu machen. Nach Vollendung der neuen Brücke sind dann die Reste der alten beseitigt worden, nachdem sich auch das Landesamt für Denkmalschutz nicht für die Erhaltung ausgesprochen hatte. Vielleicht hätte man doch einen „Ehrenrest" etwa in Gestalt einer kleinen Anlage bestehen lassen können zur dankbaren Erinnerung an den alten jahrhundertelang benutzten Flußübergang, der sich auf den Stichen von Merian und Meisner so gut in das Landschaftsbild eingefügt hatte und jedem alten Hammelburger vertraut war.

Ungefähr gleichzeitig mit der Saalebrücke wurden noch gesprengt die Eisenbahnbrücke über die Thulba, die benachbarte Straßenbrücke außerhalb der Ziegelei Voll schon etwas früher, die Saalebrücke an der Straße nach Fuchsstadt („Kruppsteg") und die bei Westheim, in der Nacht die bei Elfershausen, die bei Trimberg und die dortigen Straßenbrücken. Es war überall eine greuliche, sinnlose Zerstörung.

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