(Im Buch ist der Beitrag auf den Seiten 18 mit 23 zu finden.)
I. Hammelburg im Morgenrot der Geschichte
a) Bodenfunde melden
Im Frühling des Jahres 1895 wollte der Hammelburger Winzer EgiI Heim am Rande seines in der Feldlage Roth am mittleren Westhang des Hammel-berges gelegenen Weinberges Erde abheben zur Verbesserung einer Rebanlage. Dabei legte er zwei Grabstätten bloß, die je ein menschliches Skelett bargen. Die Gräber waren nebeneinander, etwa 80 cm tief in den felsigen Untergrund eingeschachtet und durch eine felsige Mittelwand etwa 50 cm breit, voneinander getrennt. Die Grabsohlen hatte man waagrecht eingeebnet, die Seitenwände lotrecht zugehauen. Die Toten lagen langgestreckt, den Kopf nach Osten gerichtet, nur von einer dünnen Erdschicht bedeckt. Maße der Grabkammern: je 2 m lang und 1,60 m breit.
Der Sohn des Grundbesitzers erzählte, daß außer reichen Waffenbeigaben beim Schädel des einen Skeletts ein kleiner gebogener Kamm aus Horn gelegen sei, der jedoch in der Folge verloren gegangen wäre. Die Skelettreste trug der Sohn auf das Bezirksamt, holte sie doch nach einigen Tagen wieder ab und begrub sie an der Fundstelle. Die Grabbeigaben schenkte Egil Heim seinem Schwager, dem Schlosser Joh. Bötsch, von dem sie zwei Jahre später das bayr. Nationalmuseum in München um 200 RM erwarb. Leider waren bis dahin eine Anzahl wertvoller Stücke verloren gegangen. „Die Kinder hätten so gerne mit den Sachen gespielt."
Der Fund ist durch einige Silbermünzen des römischen Kaisers Theodosius (365—395) und einer „Franziska", der fränkischen Lieblingswaffe, typologisch und chronologisch festgestellt: Grab eines vornehmen Frankenkriegers und seiner Frau aus der Zeit der fränkischen Landnahme im Maingebiet nach dem Jahre 530.
Bezüglich der wichtigsten Grabbeigaben ist folgendes zu sagen: Ein hervorragendes Fundstück war ein zweischneidiges Schwert aus Eisen (Spatha). Vom Rost stark angegriffen, hat es jetzt noch eine Gesamtlänge von 87,5 cm. Die Breite der Klinge beträgt 4,5 cm. Ursprünglich war das Schwert wohl 90 cm lang und 5 cm breit. Es lag neben dem Skelett. Von der hölzernen Scheide und dem Ortband ist nichts mehr erhalten. Nur ein Rest des Scheidemundes aus Silberblech mit aufgelegtem Goldblech (4,1 X 1,2 cm) ist noch vorhanden.
Eine eiserne Lanzenspitze ist blattförmig mit scharfkantigem Mittelgrad, der die Fortsetzung einer runden Tülle ist. Länge: 33,3 cm, wovon 11 cm auf die Tülle entfallen. Größte Breite: 4,7 cm. Der vermoderte Holzschaft war nach dem Durchmesser der Tülle etwa 4 cm dick. Durch Tülle und Holzschaft ging eine 5 cm lange Niete, die zugleich zwei von der Tülle aus gehenden 10 cm lange Eisenbänder am Schaft befestigte. Die Enden dieser Bänder sind spitz und umgebogen. Sie waren zum besseren Halt in den Holzschaft einge-schlagen.
Ein charakteristisch fränkisches Fundstück ist die Franziska, ein eisernes Wurf- und Hiebbeil. Länge: 15 cm, Breite der Schneide: 8,2 cm. Sie ist besonders gut erhalten. Zwei dreikantige Pfeilspitzen sind wertvoll wegen ihrer Sel-tenheit. Sie haben statt der Tülle eine Spitze. Von vier weiteren Pfeilspitzen mit Tüllen sind zwei mit Widerhaken versehen, eine Seltenheit in der damaligen Zeit.
Ein runder Schildbuckel aus Eisen hat 12 cm Durchmesser. Die Krempe ist 1,5 cm breit. Mit der Spitze hat der Schildbuckel eine Höhe von 9,2 cm. Die gleichmäßige Verteilung von je zwei Nieten an vier Stellen der Krempe ist auffallend.
Die eiserne Schildspange ist 12,8 cm lang und 3,4 cm breit. Zwei Nägel, die im Viereck nach unten gebogen sind, gingen ehedem durch den rückwärts des Schildes liegenden Holzgriff und waren um ihn herumgebogen.
Ein kleines eisernes Messer ist 12 cm lang, die Klinge allein 8,8 cm. Am Ende der Griffzunge war ein Beschlägestück aus Silberblech befestigt, einen Tierkopf darstellend, der Spuren von Vergoldung zeigt.
Ein Trinkbecher aus bräunlich-grünem Glas fällt besonders auf. Er ist konisch, mit sehr kleiner Standfläche zum Einsetzen in ein Fußgestell. Am oberen Rand ist das Gefäß mit horizontal laufenden erhabenen Glasrippen ge-schmückt. Von der Mitte zur unteren Hälfte geben Glasläden in vier spitz auslaufenden Bögen eine hübsche Verzierung. Der Becher ist 21,5 cm hoch. Der Trinkranddurchmesser beträgt 9 cm, der des Bodens 2,25 cm.
Von den vier aufgefundenen Silbermünzen sind zwei abhanden gekommen. Die noch vorhandenen haben die Größe eines Pfennigstückes von heute und sind sehr gut erhalten. Beide zeigen die gleiche Prägung — auf der Vorderseite das Brustbild eines römischen Kaisers mit der Umschrift; DIV THEO-DOSIUS PF AUG d. h. Kaiser Theodosius. Auf der Rückseite ist das Bild eines römischen Kriegers mit Helm und kurzer Tunika. Er trägt in der rechten Hand das Labarum, die kaiserliche Reichsfahne Die Inschrift lautet: VITRUS ROMA-NORUM und TRP COH III
Eine Perle scheint aus Bergkristall zu sein. Sie ist geschliffen und durchbohrt. Das Bohrloch ist gleichmäßig rund. Durchmesser der eckigen Perle: 3,3 cm.
Von zwei massiven Bronzeringen ist nur noch einer vorhanden. Er ist innen glatt und hat außen 18 unregelmäßige Wülste. Äußerer Durchmesser 3,7 cm, innerer: 2,4 cm. Dicke des Metalls also: ¾ cm. Es kann unmöglich ein Fingerring gewesen sein. Wahrscheinlich gehörte er zur Ausrüstung des Kriegers.
Ein Bruchstück aus Eisen wird als Feuerstahl bezeichnet. Es hat die Form eines Taschenbügels, ist 8,6 cm lang und 2,4 cm breit und ist mit einer Öse versehen.
Zwei Riemenösen aus Eisen passen nach Form und Größe genau zusammen. Die beiden Bruchstücke ergänzen sich genau zu einer Gürtelschnalle.
Ein Fibelbruchstück aus Bronze zeigt den streng konstruktiven Stil der Latenezeit. Um die Oberseite des mit vier feinen Tupfen verzierten Bügels laufen zwei Wülste. Ergänzt ist die Fibel etwa 4,5 cm lang.
Zwei kleine Riemenbeschläge aus Bronze, scharnierähnlich, müssen als Zugehörung zum verwesten Lederzeug gewertet werden.
Ein Bronzering mit Band zum Befestigen, mit zwei Nieten, hat einen Durchmesser von 2,4 cm.
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Vierzig Jahre später!1 Im März 1936 legte sich der Hammelburger Winzer Franz Schreiner in der Feldlage Roth ziemlich nahe der Höhe des Hammelberges eine neue Rebkultur an. Plötzlich stieß der Sohn des Winzers mit seinem Pickel auf einen menschlichen Schädel. Beim vorsichtigen Weitergraben kam alsbald ein Skelett mit kunsthistorisch wertvollen Beigaben zum Vorschein.
Das Skelett, ungefähr 1,70 m lang, lag in etwa 60 cm Tiefe mit Blickrichtung nach Osten. Eine Gewandfibel aus Silber, ein silberner Armreif, ein auf dem Schädel liegendes beinernes Zierplättchen2, ein kleines vom Rost stark zerfressenes Eisenmesserchen, etliche Knochen sowie das Horn eines Rindes wurden als Grabbeigaben geborgen. Vom Halswirbel bis zu den Fußknochen lag über dem Skelett eine Schicht schwarzer Erde. Sie mag von vermoderten Fellen oder Decken herrühren, in die ehedem der Leichnam eingehüllt war.
Aus den Funden ist ersichtlich, daß wir es hier unzweifelhaft mit einer weiblichen Bestattung aus der Merowingerzeit zu tun haben.
Der Schädel ist 17 cm lang, 13 cm breit und 14 cm hoch. Der Längenbreitenindex = 76,4 und der Längenhöhenindex = 82,3. „Nach der Schädelmessung müßte die Tote zur Gruppe der hohen mittellangen Schädel gehört haben." (Renz)
Das Zierplättchen ist ein schönes, dünn geschabtes Stück, das, wie ich durch Augenschein feststellen konnte, die Form einer Raute hatte. Länge der beiden Achsen: 7 und 3 ½ cm. Farbe: gelblichweiß mit dunkelbraunen Zierlinien. Leider wurde dieses bisher nur einmalig bekannt gewordene Fundstück durch Unachtsamkeit des ersten Aufbewahrers zerbrochen. Das Plättlein war, wie man aus einigen Löchlein am Rande schließen kann, auf einer Unterlage befestigt. Es diente als Stirnschmuck, der wahrscheinlich mit einem Bändchen festgehalten wurde.
Die 6 cm lange silberne Fibel lag in der schwarzen Erde bei den Brustwirbeln. Es ist eine sogenannte Kreuzfibel mit Tierkopf-Enden, die als eine sehr geschmackvolle Arbeit gewertet werden muß.
Der massive Silberarmreif befand sich am linken Unterarm. Er ist in der Form dem Handgelenk angepaßt, aber so klein, daß er kaum über die Hand eines Erwachsenen zu bringen ist. Der größere Durchmesser des Reifes beträgt 7,5 cm, der kleinere 5,8 cm. Von der oberen Mitte an, wo das Schmuck-stück 4 mm stark ist, geht es nach beiden Seiten allmählich in eine achtkantige Form über, sich dabei nach und nach verdickend. Die beiden Enden, die beinahe Zusammenstoßen, weisen eine Stärke von 1 cm auf. Die Kanten sind fein gerillt.
Das Eisenmesser lag nahe der linken Hand und hat eine Länge von 9 cm. Die Klinge ist am Griff 1,5 cm breit. Den kurzen Rest der Handhabe muß man sich durch einen Holzgriff ergänzt denken. Reste einer Scheide lassen sich am Anfang der Klinge feststellen. Auch die Verdickung an der Spitze deutet auf eine Scheide aus Leder hin.
Die Rindsknochen und das Horn mögen von einem Totenopfer anläßlich der Beerdigung der Verstorbenen stammen. (Die Funde kamen in das Luitpoldmuseum nach Würzburg).
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Wo hatten wohl die hier Beerdigten im Leben ihre Wohnsitze? Das mit Sicherheit klären zu wollen, dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein. Denn bei Begräbnissen in der vor- und frühgeschichtlichen Zeit spielten Geisterglauben und kultische Momente eine ausschlaggebende Rolle. So fand man einerseits Skelette aus jenen fernen Tagen unter dem Fußboden. von vorgeschichtlichen Wohnhütten und anderseits fern von Siedlungen auf Bergeshöhen oder versteckt im Walde. Als sicher kann nur behauptet werden, daß die am Hammelberg Bestatteten Vornehme waren fränkischen Stammes, die wahrscheinlich im Ur-Hammelburg auf der rechten Saale-Uferhöhe ihren Wohnsitz hatten.3